Gericht schränkt Mieterschutz ein

Erstmals hat ein Gericht den „mietrechtlichen Bestandsschutz“ aufgehoben / Landgericht Frankfurt bezog sich auf Bundesverfassungsgericht und OLG Frankfurt / Rechtsanwalt: Vermieterwillkür den Weg geebnet  ■  Aus Frankfurt Michael Blum

Erstmals seit der Einführung der Mieterschutzgesetze 1971 hat ein bundesdeutsches Gericht den „mietrechtlichen Bestandsschutz“ aufgehoben. Gibt ein Vermieter Eigenbedarf als Begründung für die Kündigung des Mietvertrages an, so müssen die Gerichte die tatsächliche Nutzung der Wohnung nicht mehr prüfen. Es genüge der verbale Nutzungsanspruch des Vermieters, so Rechtsanwalt Kremer, der in dieser Sache einen Mieter bereits fünf Mal vor den verschiedesten Instanzen vertreten hatte. In seiner Entscheidung bezog sich das Landgericht auf einen Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 18.Januar 1988 (1 BvR 787/87), der zum gleichen Rechtsstreit erging.

In der Begründung hieß es, daß ein Mieter nur gegen eine willkürliche Kündigung geschützt ist. Über genauere Angaben, was unter „willkürlich“ zu verstehen ist, schwieg sich das höchste Gericht jedoch aus und verwies den Fall an das Landgericht Frankfurt zurück. Die 11.Zivilkammer dort sah sich jedoch außer Stande, die Entscheidung des Karlsruher Gerichtes zu interpretieren und rief das Oberlandesgericht an. Das stellte im Juni 1988 fest (20 REMiet 2/88), daß unter einer willkürlichen Kündigung diejenige zu verstehen sei, die aus nicht nachvollziehbaren Erwägungen ausgesprochen werde.

Dermaßen rechtsbelehrt kommt das Landgericht zu seinem Urteil: „Nach diesen Entscheidungen hat der mietrechtliche Bestandsschutz im Rahmen des § 564 b II Nr.2 BGB faktisch aufgehört zu bestehen.“ Für Rechtsanwalt Christoph Kremer ist die bereits am 5.Juli ergangene Entscheidung ein „Putsch im Mietrecht.“ War bislang ein Mieter gegen eine Eigenbedarfskündigung durch den Vermieter insofern geschützt, als der Vermieter den Nachweis erbringen mußte, daß er die Wohnung wirklich benötigt, so hat sich das mit der Frankfurter Entscheidung drastisch verändert.

Laut Rechtsanwalt Kremer genügt jetzt die Eigenbedarfsanmeldung, die tatsächliche spätere Nutzung der Wohnung ist nicht mehr im Detail nachzuweisen. Es genügt der verbale Nutzungsanspruch. Für Kremer müssen Gerichte nun keine Eigenbedarfskündigungen mehr prüfen. „Macht die Frankfurter Entscheidung Schule, so sind der Aushöhlung des Mietrechts keine Grenze mehr gesetzt.“ (Kremer) Für den Juristen liegen die Folgen auf der Hand: „Wenn der Frankfurter Urteilsspruch von anderen Gerichten übernommen wird, so ist der Wohnungsspekulation Tür und Tor geöffnet. Die Bewohner älterer Mietwohnungen können ohne weiteres herausgekündigt werden, die Vermieter können aus billigen Wohnräumen teure Eigentumswohnungen machen. Ganze Stadtteile werden so umgewandelt werden.“ (Aktenzeichen: 33 C 3026/86 -67)