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Ausbrechen erlaubt!

■ Verfahren gegen zwei Oslebshauser eingestellt

Man darf und soll zwar nicht aus dem Knast ausbrechen, aber wenn man es kann und tut, bleibt man ungestraft. Einzige Bedingung: „Zusammenrotten“ mit anderen („Meuterei“) und Gewaltanwendung gegenüber Menschen, Gitterstäben, Alarmanlagen-Drähtchen oder anderen Gegenständen - das darf nicht sein.

Eingestellt wurde am Montag vor dem Bremer Amtsgericht das Verfahren gegen zwei junge Männer aus dem Oslebshauser Knast, denen im August 1987 eine spektakuläre Flucht über die hohe, natodrahtbewehrte Mauer geglückt war. Daß Andreas T. und Jörg F. den Ausbruch gemeinsam geplant und durchgeführt hatten, konnte ihnen jedenfalls nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden: Ein Aufsichtsbeamter hatte zwar „zwei Gef.“ (zwei Gefangene) am Fuß der Mauer stehen und dann über eine Art Leiter flüchten sehen, konnte aber die Gesichter nicht wiedererkennen. Und Andreas und Jörg gestanden, was das Zeug hielt - aber keine gemeinsame Aktion.

Jörg hatte gut geplant und mit Vorbedacht einen Holzbalken aus der knasteigenen Lehrwerkstatt ins Auge gefaßt, vermessen, am Fluchtmorgen mit kleinen Querbrettchen wie eine Sprossenleiter versehen und durch ein Mauerloch im Giebel der Werkstatt nach draußen geschoben. „Ich hab das genau gemessen, damit ich für die Brettchen nicht das Loch noch vergrößern mußte“, führte Jörg F. vor Gericht aus. Hätte er zugegeben, auch nur einen einzigen Ziegelstein aus dem unvollständigen Fachwerkgiebel gebrochen zu haben, wäre das als „Gewalt“ zu deuten gewesen. Jörg F. sprang damals aus dem Loch auf den Hof, lehnte die hausgemachte Leiter an die Mauer, stieg über Mauer und Draht und nahm den nächsten Bus in Richtung Innenstadt. Andreas T. will anschließend die Leiter stehen gesehen, die flüchtige Gunst der Stunde genutzt haben und hinterhergeklettert sein: „Ich war abgefressen nach 17 Monaten Haft ohne Ausgang, ist doch klar, daß ich raus bin“, erklärte er vor Gericht. S.P

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