Kahlschlag für Flora

Der Hamburger Senat gab grünes Licht für den Musicalpalast im Schanzenviertel / Kleinbetriebe sollen Parkplätzen weichen / Anlieger in Aufruhr  ■  Aus Hamburg Kai Fabig

Die Entscheidung zugunsten des umstrittenen Musicalpalastes im Hamburger Schanzenviertel ist gefallen. Gestern machte der Senat von seinem Recht Gebrauch, zog die Entscheidung über die 2.000 Besucher fassende „Abspielstätte“ an sich und wies das zuständige Bezirksamt Altona an, „den Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung umgehend positiv zu beantworten“. Gleichzeitig entschied sich der Senat für ein Parkplatzkonzept, bei dem tatsächlich die gesetzlich geforderte Anzahl von Stellplätzen angelegt wird. Den Stadtteilinitiativen versprachen die Senatoren ihr eigenes Zentrum. Damit seien, so Bürgermeister Henning Voscherau (SPD), die „besorgten Fragen von betroffenen Anwohnern und Kommunalpolitikern jetzt zufriedenstellend beantwortet“.

Die beiden Initiativen, die seit Monaten gegen dieses Großprojekt in ihrem Stadtteil kämpfen, sehen das ganz anders. Für beide geht der Widerstand jetzt erst recht weiter. Ihnen geht es nicht nur um die formalrechtlich korrekte Lösung der Verkehrsprobleme, sondern in erster Linie um die Entwicklung ihres Viertels. In dem jetzt beschlossenen Musicalneubau des Musicalpapstes Fritz Kurz, der in Hamburg bereits mit „Cats“ vertreten ist, Fortsetzung auf Seite 2

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und in Bochum das Rollschuh-Musical „Starlight Express“ aufführen läßt, sehen sie den Auslöser für eine Umstrukturierung des von Szene, Ausländern und alten geprägten Stadtteils. Das Versprechen des Senats, daß keiner aus dem Viertel heraussaniert werden solle, trifft angesichts der gestern beschlossenen Parkplatzlösung auf noch größere Skepsis als zuvor.

Den insgesamt 380 Parkplätzen entlang einer Bahnlinie müssen nämlich diverse Kleinbetriebe weichen. Als das Konzept gestern vorgestellt wurde, wußten die meisten Anlieger noch nicht, daß sie bis Mitte des nächsten Jahres verschwinden müssen. Den Aussagen der Betroffenen nach zu urteilen, hat der Senat, statt die angestrebte höhere Akzeptanz für das Musical-Projekt zu erreiche, eher dazu beitragen, den Widerstand jetzt auch in die Reihen der Gewerbetreibenden auszuweiten.

Ein Möbelhändler hat „große Lust, eine Bombe zu werfen“, ein Tankstellenpächter will zusammen mit den anderen Betroffenen „dagegen vorgehen“ und die Besitzer eines Bekleidungsgeschäfts werfen dem Senat vor, sich nur um die Interessen der „Großen zu kümmern“.

Voscherau allerdings, der das Musical-Projekt sozusagen als Altlast von seinem Vorgänger Klaus von Dohnanyi übernommen hat, will sich jetzt auf einen streng formal-juristischen Standpunkt zurückziehen. Hamburg könne es sich nicht leisten, daß ein rechtlich begründetes Bauvorhaben - und dafür haben seine Vorgänger durch Verträge gesorgt - am Widerstand einiger scheitere. Schlachten am Bauzaun sind vorprogrammiert.