Mit Stern auf der Schnauze

■ Mumm und Häppchen zum sportlichen Top-Ereignis des Jahres: Am Wochenende kämpfen Porsche und Mercedes in Diepholz um die Ersatzkrone des Motorsports

Den Mumm „extra dry“ haben sie schon intus. Also warten rund dreißig JournalistInnen auf die ebenfalls versprochenen Häppchen und nesteln verlegen an den „kleinen Aufmerkamkeiten“, die ihnen die Daimler-Benz-Niederlassung -Bremen-Leitung freundlicherweise auf die Plätze lanciert hat. Aus Rationalisierungs- und Gerechtigkeitsgründen kriegen alle das gleiche, egal ob sie sich für den großen NDR oder das Diepholzer Kreisblatt in die Anwesenheitsliste eingetragen haben: ein Miniaturmodell vom Mercedes 190. In groß müßte man sowas haben. Aber das sähe wahrscheinlich nach Bestechung aus.

Dabei sollen sich die in die Bremer Daimler-Niederlassung geladenen Gäste nur ein sachliches, objektives Bild über das „sportliche Top-Ereignis“ im deutschen Norden verschaffen, wie es in gediegenem Understatement in der Einladung heißt: Das 21. internationale Flugplatzrennen in Diepholz, zu dem sich die europäische Motorsport-Elite am kommenden Wochenende trifft. Informieren zum Beispiel über die „Wesensunterschiede der Werks-Philosophie“ von Mercedes und Porsche. Beide bauen im schwäbischen Musterländle schnelle Musterautos, aber Porsche ist es dem eigenen Image sozusagen werksphilosophisch schuldig, „die Renntauglichkeit seiner Produkte durch Engagement im internationalen Motorsport“ nachzuweisen.

Wer mit „dem Stern auf der

Schnauze rumfährt“ (Mercedes PR-Chef Nieborg), braucht diesen Nachweis nicht unbedingt. Der Bremer Holzhändler Louis Krages, der aus verständlichen Gründen seine rennsportlichen Wochenenden unter dem Künstlernamen „John Winter“ verbringt und passioniert Porsche fährt, mag das nicht unwidersprochen hinnehmen: „Die neu entwickelte Porsche-Einspritzanlage ist ein Bombenerfolg und wird auch von anderen Teams eingesetzt.“ Und so weiter, und so weiter.

Das versammelte Journalistenvolk interessiert sich offensichtlich wenig für die fachgesimpelten Murmel -Sticheleien zwischen den Renommiermarken Porsche und Daimler. Die Insider wissen sowieso schon alles, die Outsider wissen gar nichts und werden den Teufel tun, ihre blamable Ah

nungslosigkeit auch noch durch unqualifizierte Nachfragen nach Achtzylinder-Doppelturbo -Motoren im Sauber-Mercedes oder dem feinen Unterschied in den Gummimischungen von Qualifying-und Rennreifen zu dokumentieren. Hauptsache, sie haben verstanden, daß es sich um etwas ganz Großartiges handeln muß, wenn 25 Porsches 962, Lola-BMWs, Sauber-Mercedes für Jägermeister, Blaupunkt, Victor-Computer und Abtei-Vitamine in eineinhalb Stunden mit 600 bis 700 PS je 90 Liter Sprit verfahren und Blech, Kevlar -Karbon und Leib und Leben bei Geschwindigkeiten bis zu 300 Kilometer in der Stunde riskieren.

Wer's unbedingt wissen wollte, konnte schließlich noch erfahren, daß es derzeit keine Prognose gibt, ob Daimler Benz in die Formel I einsteigt, was

wohl die ganz große Klasse des internationalen Rennsports markiert. Dafür spricht, daß „selbstverständlich berechtigte Erwartungen bestehen, daß sich eine der renommiertesten Automarken in den Kampf um die Krone des Automobilsports einschaltet.“ Dagegen „das erhebliche Risiko für ein seriöses schwäbisches Unternehmen, wenn Sie wissen, was ich meine.“

Ich weiß nicht, was Daimler-Mann Nieborg meint. Wahrscheinlich das Risiko, den Mac Larens und Ferraris hinterzufahren oder den zweifelhaften Werbeeffekt, wenn ein Mercedes bei 310 Kilometern pro Stunde in die Leitplanken rast und aus dem Mercedes-Schrott ein paar Leichenteile per Schneidbrenner geborgen werden müssen.

Guten Appetit bei den Häppchen.

K.S.