Hergesehen Kanzler Kohl: Steuerreform auf japanisch

■ Steuersenkung soll Wirtschaftswachstum ankurbeln und Handelsbilanzüberschüsse abbauen

Tokio/Berlin (afp/taz) - Die Winkelzüge der Japaner in ihrer Handels- und Wirtschaftspolitik mögen für die ausländischen Partner teilweise schwer verständlich sein. Das Projekt einer Steuerreform aber, über das das japanische Parlament auf Initiative der Regierung Noboru Takeshita nun zwei Monate lang beraten wird, soll langfristig insbesondere auch Auswirkungen auf die internationalen Märkte haben, so meint man jedenfalls in japanischen Wirtschaftskreisen.

Die Steuerreform sieht die Einführung einer generellen Verbrauchsabgabe vor, gleichzeitig soll die direkte Besteuerung privater Haushalte und Unternehmen substantiell reduziert werden. Im einzelnen ist vorgesehen, die Einkommens- und Einwohnersteuer zu senken und den Spitzensteuersatz von 60 auf 50 Prozent zu reduzieren; den Körperschaftssteuersatz auf 37,5 Prozent zu senken; eine generelle Verbrauchssteuer von drei Prozent einzuführen; die Kursgewinne von Wertpapieren zu besteuern und die Erbschaftssteuer zu senken. Ziel der Reform ist zunächst die Verringerung der Ungleichgewichte im Steuersystem und bei der Verteilung der wirtschaftlichen Anreize, um ein ausgewogeneres Wachstum herzustellen. Mittelbar, so hofft man im Finanzministerium, wird sich die neue Steuerpolitik in „dynamischer und stabilisierender Weise“ auf die Weltwirtschaft auswirken.

Im Inland wird die Reform eine Nettoentlastung von jährlich 2.400 Milliarden Yen (rund 33,6Mrd. Mark) für Familien- und Unternehmenseinkommen bringen - Hand in Hand mit einer Zunahme der Verbraucherausgaben von 0,2Prozent pro Jahr bis 1992. Nach Schätzungen der Agentur für Wirtschaftsplanung (EPA) werden die Einfuhren nach Japan während dieses Zeitraums im gleichen Rahmen wachsen. Um die Beratungen über die Steuerreform überhaupt in Gang setzen zu können, müßte die Takeshita-Regierung allerdings zunächst eine Forderung der Opposition in die Tat umsetzen: Für das laufende Jahr wurde eine einmalige Senkung der Einkommenssteuer beschlossen, die umgerechnet 17Mrd. DM beträgt.

Gleichzeitig geht die Agentur von einer gebremsten Entwicklung des Exportvolumens aus. So soll die Reform beispielsweise im Steuerjahr 1991 den japanischen Außenhandelsüberschuß um zwei Milliarden Dollar senken; nicht viel angesichts des immer noch auf 50 Milliarden Dollar geschätzten Überschusses zu Anfang der neunziger Jahre. Die EPA hat ferner berechnet, daß die neue Verbrauchssteuer einen Inflationsschub von 0,3 Prozent jährlich verursachen wird. Nominal wird das Bruttoinlandsprodukt nach EPA-Schätzungen um 0,5, real aber nur noch um 0,2 Prozent jährlich wachsen. Daneben wird die Steuerreform Auswirkungen auf die japanische Wirtschaft haben, die mit ökonometrischen Modellen nur schwer erfaßbar sind. Im Finanzministerium in Tokio wird eingeräumt, daß die Verringerung der direkten Steuerlast die japanischen Arbeitnehmer zu Mehrarbeit verleiten und die Unternehmen zum Abschluß von weiteren Geschäften verführen wird. Ob es das ist, was das Ausland in erster Linie von den Japanern erwartet, bleibt abzuwarten. Konkret aber bringt die Steuerreform ausländischen Firmen, die ihre Produkte in Japan absetzen wollen, ein ganzes Bündel von Vorteilen. Die Einführung der Verbrauchssteuer wird die Abschaffung einer ganzen Reihe von indirekten und meist diskriminatorischen Abgaben auf Importe zur Folge haben. Im Nahrungsmittelbereich wird so endlich Gleichheit zwischen dem importierten und deshalb besteuerten Kaffee und dem größtenteils im Lande angebauten und abgabefreien Tee hergestellt. Japanische Automobile sowie insbesondere ausländische Fahrzeuge, die für viele Japaner wegen der hohen Steuerbelastung bisher unerschwinglich waren, sollen für eine Übergangszeit mit einer sechsprozentigen Abgabe besteuert werden, die später auf drei Prozent sinken soll. Bisher lag die Taxe um ein Vielfaches darüber.

Gute Nachricht auch für die Tax-free-shops: Der hohe Zoll auf die von Auslandsreisen mitgebrachten Waren wird massiv gesenkt. Die Einfuhrabgabe für eine Flasche französischen Cognacs beispielsweise, die bisher 305 Mark betrug, wird sich jetzt nur noch auf 12,70 Mark belaufen.