Die Wandlung des Brice Lalonde

Der ehemalige militante Umweltschützer und jetzige Umwelt-Staatssekretär hält die französischen Atomversuche im Pazifik nicht mehr für umweltschädlich / Proteste der Grünen  ■  Aus Paris Beate Seel

Es war im Jahre 1974, als Jean-Jaques Servan-Schreiber nach drei Wochen Amtszeit seinen Ministerposten im Kabinett verlor, weil er die französischen Atomversuche im Pazifik kritisiert hatte. Dieses Schicksal wird Brice Lalonde, einstiger militanter Umweltschützer und Vorsitzender der „Freunde der Erde“ und Ex-Präsidentschaftskandidat der französischen Grünen, erspart bleiben. Der bequeme Sessel eines Staatssekretärs für Umweltfragen wird ihm erhalten bleiben, denn während seines Australien-Besuchs bekundete er zur Überraschung der Presse, er halte die Atomtests heute nicht mehr für umweltgefährdend. „Die Situation in Mururoa hat sich seit meinen ersten Besuchen deutlich verbessert, sonst wäre ich heute nicht in der Regierung“, begründete Lalonde seine Auffasung, die umgehend von den französischen Grünen verurteilt wurde. In einem Kommunique der Partei heißt es, die Grünen fragten sich, durch welches Wunder Lalonde heute die Tests für unschädlich halte, die er früher als gefährlich kritisiert habe.

Der Verband „Ärzte gegen den Atomkrieg“, die französische Sektion der mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Organisation IPPNW, bestritt in einem am Dienstag veröffentlichten Schreiben an den Politiker, daß die Atomversuche unschädlich seien, und machten die Tests insbesondere für eine in Polynesien grassierende Hautkrankheit verantwortlich, die durch die Nahrungskette beim Menschen entsteht und für die auf Fischfang angewiesene Bevölkerung dieser Region unerträglich sei.

Die Wandlung des ehemaligen Aktivisten Lalonde erfolgte, nachdem die Sozialisten 1981 an die Macht gelangten. Während er im November des gleichen Jahres noch seinen dritten Protesttrip in die Region unternahm, akzeptierte er anschließend eine Einladung von Präsident Mitterrand, vor Ort die atomare Verseuchung zu untersuchen. Lalonde kehrte in den Schoß des nationalen Konsenses zurück und kam zu dem Ergebnis, es sei nicht mehr notwendig, gegen die Atomversuche zu protestieren. Man solle zunächst die anderen Staaten auffordern, die gleichen Bemühungen wie Frankreich zu unternehmen. „Jedes Beharren gegen die Versuche in Mururoa würde sonst als eine systematische, antifranzösische Kampagne erscheinen“, wurde Lalonde in der Zeitung 'Liberation‘ zitiert. Die „Bemühungen“ Frankreichs bestanden darin, keine überirdischen, sondern nur noch unterirdische Tests im Zentrum der Lagune bei Mururoa durchzuführen.