Anwälte drohten Hammadi inständig

Muhamad Ali Hammadi entpflichtete seine ehemaligen Verteidiger teilweise von ihrer Schweigepflicht / Die Kanzlei Mahlberg zog es vor, wegen eines weiteren Auftraggebers zu schweigen / Doppelmandat im Auftrag einer „natürlichen Person“  ■  Aus Frankfurt Heide Platen

Das mag einer der surrealistischsten Dialoge gewesen sein, zu denen Prozeßbeteiligte in der Bundesrepublik vor Gericht imstande sind. Im Verfahren gegen den Libanesen Muhamad Ali Hammadi, der wegen Flugzeugentführung, Mord und Sprengstoffdelikten vor dem Frankfurter Landgericht steht, unterhielten sich der Vorsitzende Richter, der Nebenklagevertreter und ein geladener Zeuge in Rätseln. „Das ist ein völlig unbeschriebenes Blatt, das ich hier präsentierte“, sagte der Zeuge, Rechtsanwalt Matthias Mahlberg aus Bonn. „Wir haben nun aber“, grollte der Nebenklagevertreter, Rechtsanwalt Hamm, „auch beschriebene Akten.“ Vorsitzender Richter Heiner Mückenberger stellt fest: „Je länger wir hier diskutieren, desto verschwommener werden die Grenzen.“ Der Mann hat recht. Diskutiert wurde vorher über ein Papier, in dem der Angeklagte die Entführung der TWA-Maschine im Sommer 1985 eingesteht. Unterschrieben ist es allerdings nur von den vom ihm inzwischen entpflichteten Bonner Rechtsanwälten Matthias und Lothar Mahlberg.

Der Auftritt der beiden bisher eher mit Zivilprozessen befaßten Anwälte war mit Spannung erwartet worden, hatte sich doch im Lauf des Verfahrens herausgestellt, daß sie unter dubiosen Umständen an das Mandat gekommen waren. Sie waren in der Zelle Hammadis zusammen mit den Eltern des Angeklagten und Beamten des Bundeskriminalamtes aufgetaucht und hatten den Anschein erweckt, „arabische Freunde“ hätten sie geschickt.

Am Dienstag Nachmittag gestand Mahlberg sen. vor Gericht ein, was sich längst ahnen ließ. Er könne hier nicht aussagen, erklärte er dem Gericht, weil er zur gleichen Zeit wie Hammadi auch „Dritte“ vertreten habe. Ob das eine „deutsche Behörde“ gewesen sei, hakt Mückenberger nach und meint Bundeskriminalamt oder Bundesnachrichtendienst oder den Krisenstab der Bundesregierung. Nein, wird Mahlberg minimal konkreter, eine „natürliche Person“ habe ihn beauftragt, für Hammadi tätig zu werden. Damit kommt unausweichlich der Agent Werner Mauss ins Spiel, der seit Jahr und Tag ebenso teuer wie unseriös für die verschiedensten Herren arbeitet.

Was immer sich Krisenstab oder Hoechst AG oder wer sonst davon versprochen haben, die Interessen des Mannes vor Gericht zu vertreten, von dem sie annahmen, daß seinetwegen der Siemens-Techniker Schmidt und der Hoechst-Manager Cordes vor anderthalb Jahren in Beirut entführt wurden, es war ein Bärendienst.

Schmidt kam frei - wie zu hören ist, unter wie auch immer gearteter Mithilfe von Werner Mauss -, und Hammadi wurde nicht an die Vereinigten Staaten ausgeliefert.

Das Dokument allerdings, das durch Vermittlung der Mahlbergs neben dem von Hammadi nicht unterschriebenen Geständnis auftauchte, ist falsch. Es machte den eventuell zur Tatzeit einundzwanzigjährigen Angeklagten um vier Jahre jünger und stammt angeblich aus Beirut. Es muß daher niemanden wundernehmen, daß Hammadi sich von diesen Anwälten trennte.

Er entpflichtete die Anwälte Mahlberg Ende 1987 von ihrem Mandat und am Dienstag teilweise von ihrer Schweigepflicht. Sie sollten aussagen zur Mandatsanbahnung, zur Honorierung und dazu, woher das Geld für eine Reise seiner Eltern durch die Bundesrepublik und eine Operation seines Vaters gekommen sei. Schweigen sollten sie aber über den Inhalt ihrer Gespräche mit ihm in der Zelle. Der Vertreter der Nebenklage, Rechtsanwalt Hamm, wertete das sofort als „Geständnis“ Hammadis.

Rechtsanwalt Mahlberg sen. gab sich gelassen. Er sehe sich „immer noch als Organ der Rechtspflege“: „Wenn ich helfen könnte, würde ich es tun.“ Er bitte aber seinen früheren Mandanten Hammadi „inständig, die Tragweite einer Entbindung von der Schweigepflicht zu bedenken“. Hammadi konterte: „Wollen Sie mir drohen?“ Wie er auf so etwas komme, das sei ihm, meinte Mahlberg sen., „völlig schleierhaft“. Er habe immer nur das Wohl Hammadis im Auge gehabt, dem habe das andere Mandat nicht entgegen gestanden, im Gegenteil. Widerwillig holte Richter Mückenberger auch den Sohn Mahlberg in den Zeugenstand und entließ ihn schnell wieder mit einem Verweis darauf, daß Vater Mahlberg schon ausgiebig geschwiegen habe. Die Verhandlung wird heute fortgesetzt und dann für eine vierwöchige Sommerpause unterbrochen.