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Ökobanker verärgern Alternativbetriebe

■ Das Geschäft floriert, doch die Basis fühlt sich verraten / Von Klaus Peter Klingelschmitt

Was unterscheidet die Ökobank von einer ganz normalen Frankfurter Geschäftsbank? Kaum drei Monate nach Eröffnung des feinsten Alternativbetriebes der Republik scheiden sich an dieser Frage die Geister. Während die Ökobanker auf einen überaus erfolgreichen Start verweisen, sehen Teile der ehemaligen Gründerinitiativen ihre Bank bereits auf Abwegen: Selbstverwaltung und Alternativökonomie spielten schon jetzt im Geschäftsgebaren keine Rolle mehr. Der alte Ökobank -Verein solle als störende Basis abserviert und jedes Einflusses beraubt werden. Ökobanker Thorsten Martin: alles Legende.

Ein lederjackenbewehrter Streetfighter aus dem autonomen Lager dürfte sich doch etwas deplaziert vorkommen, falls er sich tatsächlich in die Schalterhalle der Ökobank in der Bornheimer Landstraße 22 in Frankfurt „verirren“ sollte. Und auch der „wollsockenbewaffnete“ Alternative aus dem Vogelsberg wird sich - gewöhnt an ewig verkrustete Kaffeetassen und an Sperrmüllmöbel - in „seiner“ Bank kaum wohlfühlen.

Die Banker von der Ökobank unterscheiden sich kaum von den Bankern meiner bisherigen Hausbank und das Interieur in Großraumbüro und Schalterhalle ist gediegen. Eine Bank ist eben eine Bank, meinte der Öffentlichkeitsreferent der Ökobank, Thorsten Martin. Und da kann es selbstverständlich nicht zugehen wie in der Schäferei zum frommen Lamm. Willkommen sind sie allerdings alle, in der Ökobank in Frankfurt: Die Herren mit den Nadelstreifen ebenso wie die VertreterInnen der diversen alternativen Projekte, die Hausfrau um die Ecke und der „linke Erbe“ der mal eben sein frischgewonnenes Vermögen in Öko-Sparbriefen anlegen möchte

-wenn es geht mit „Zinsverzicht“.

Die Geschäfte der neuen Banker gehen gut, und die acht festangestellten ÖkobankerInnen haben „absolut nichts dagegen“, wenn ein CDU-Mann Frauen-Sparbriefe zeichnen möchte, „denn auch bei denen tut sich was“. Das Bedürfnis, zu wissen, für welche Projekte das angelegte eigene Geld verwendet wird, sei inzwischen in allen Gesellschaftsschichten ein latentes - und das schlägt sich bei der Ökobank nach nur knapp dreimonatiger Geschäftstätigkeit in Erfolgszahlen nieder: 3.000 Menschen eröffneten in diesen wenigen Tagen ein Sparkonto bei der Ökobank und sorgten mit dafür, daß die bisherige Bilanzsumme aus den Treuhandgeldern (7 Millionen Mark) mehr als verdoppelt werden konnte.

Pro Tag liegen die Zuwächse in einer Größenordnung von 200.000 bis 300.000 Mark. Alleine sechs Millionen Mark aus der heutigen Bilanzsumme von 15,6 Millionen Mark wurden über die Sparbriefe „eingespielt“, mit denen die werte Kundschaft der Ökobank ihre Einlagen politisch verteilen kann: Bildungssparbrief, Selbstverwaltungssparbrief, Sparbrief für psychisch Kranke, Umweltsparbrief und Frauensparbrief. Und dann gibt es noch einen Projektsparbrief „Verkehrsclub Deutschland“, mit dessen Hilfe eine Gegenmacht zum bislang übermächtigen ADAC aufgebaut werden soll.

An Krediten hat die Ökobank rund 1,5 Millionen Mark vergeben - u.a. an Druckereien und Verlage, an Hersteller von Umweltschutzpapier, Buchläden und Cafeprojekte. Daneben wurden auch Privatkredite an „normale“ Menschen „ausgeschüttet“, etwa für die Haussanierung oder den neuen Wagen, der dann aber bitteschön mit Katalysator ausgestattet sein muß.

Nach Angaben der ÖkobankerInnen liegen derzeit noch Kreditanfragen in einer Größenordnung von etwa 4 Millionen Mark vor, doch die Mühlen bei der Alternativbank laufen langsam. Eine „sorgfältige Prüfung der Antragsunterlagen“ sei eben unumgänglich. Und deshalb will die Ökobank ihren Kreditvergabebereich personell aufstocken. Bankkauffrauen, denen ihre bisherige Bank zu amoralische Geschäfte tätigt, werden aufgefordert, sich umgehend zu bewerben.

Denn der Erfolg wird von den Ökobankern zur Zeit noch mit Mehrarbeit „bezahlt“. Ein Zehnstundentag ist „normal“ und die Samstagsarbeit obligatorisch. Dennoch macht ihnen die Arbeit in „ihrer“ Ökobank einen „Riesenspaß“, denn alle erleben mit, wie ein Projekt wächst und gedeiht, das über Jahre hinweg für nicht realisierbar gehalten wurde. Die Befürchtung, daß die Ökobank eines Tages „abheben“ und eine der „ganz normalen Banken“ unter den 350 in Frankfurt angesiedelten Geldinstituten werden könnte, verweist Thorsten Martin „für alle ÖkobankerInnen“ in das Reich der Märchen und Legenden. Noch habe keiner beim Anblick von Geld jenes „erotische Prickeln“ verspürt, das Dagobert Duck täglich zum Bad im Geldspeicher trieb. Und „der Schatz der Sierra Madre“ hat im Ökobank-Tresor (noch) nichts verloren.

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