David besiegt Goliath

■ Mit Werkschutz und fristloser Entlassung wollte die Klöckner-Hütte einen türkischen Reiniger loswerden / Erfolglos / Jetzt bekommt er 22.500 Mark Abfindung

Nach der Wahrheit suchen Arbeitsgerichte nur, wenn es unbedingt sein muß. Viel lieber ist es ihnen, wenn Kapital und Arbeit sich einigen, ohne daß die Gerichte herausfinden müssen, wie nun alles wirklich gewesen ist. Ob der Kauenwärter Hasan F. nun den Walzmeister Karl-Heinz M. bedroht und beleidigt hat, oder ob es umgekehrt war - das wurde deshalb am Dienstag nicht aufgeklärt. Geklärt wurde allerdings, für wieviel Geld Hasan F. seinen Arbeitsplatz bei der Klöckner-Hütte jetzt aufgibt: für 22.500 Mark.

„Du fettes Schwein!“

Dabei hatte das Geschehen am Abend des 28. Januar in der Kantine des Klöckner-Warmwalz-werks seine eigene Dramatik: „Du Dreckschwein!“, soll Hasan F. zu dem stämmigen Meister gesagt haben. „Du fettes Schwein“, habe er tatsächlich gesagt, räumte Hasan in einer früheren Verhandlung ein. Aber das habe Karl

Heinz M. auch verdient, denn er habe ihn mit seinem dicken Bauch geschubst! Als Hasan dann ging, ohne dem Meister, der nicht sein Vorgesetzter war, Namen und Personalnummer zu hinterlassen, da rief Karl-Heinz M. den Werkschutz, der Hasan F. wenig später „stellte“.

Um sein Glück zu machen, muß man es beim Schopfe packen. Hasan F.s Glück, das war: nach 14 Jahren endlich von der Hütte wegzukommen. Erst hatte er dort die menschenfressende Arbeit des Flämmens verrichtet. Als er davon krank geworden war, mußte er Duschräume und Klos säubern - für einen Lohn, der am alleruntersten Ende der Skala stand. Weg wollte Hasan F. deswegen schon lange. Im vergangenen Jahr galt wegen Rationalisierungsmaßnahmen auf der Hütte ein Sozialplan: Wer seinen Arbeitsplatz freiwillig aufgab, konnte mit einer stattlichen Abfindung rechnen. Doch als Hasan deswegen zum Personalchef

kam, blätterte der nur in der dicken Personalakte des aufmüpfigen Kauenwärters: „Dich schmeißen wir so raus - ohne Abfindung“, soll er zu Hasan F. gesagt haben.

Als dann am 28. Januar, nach dem Streit mit dem dicken Walzmeister, der Werkschutz hinter Hasan F. her war, als er am folgenden Tag eine Aussage machen sollte, da erkannte Hasan F. seine Chance. Er sagte den Werkschützern kein Wort, sondern ging seelenruhig nach Hause und wurde krank. Die Hütte suspendierte ihn sofort von der Arbeit und warf ihn raus. Fristlos.

Kündingung rechtswidrig

Sein Anwalt Eberhard Schulz reichte für ihn Klage beim Arbeitsgericht ein. Schon bei der ersten Verhandlung machte Arbeitsrichter Adolf Claussen den Klöckner-Anwälten klar, daß die Kündigung unhaltbar sei. Aber ungeschoren wollte die Firma ihren Kauenwärter nicht davon

kommen lassen: Sie sprach ihm eine Abmahnung aus. Ob das so klug war, darüber ist vielleicht gestern im taubenblau verglasten Verwaltungsgebäude des Konzerns nachgedacht worden. Denn Hasan verlangte nun vom Gericht, es möge das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem Stahlgiganten auflösen: Nach allem was vorgefallen sei, wäre für ihn die Arbeit auf der Hütte nicht mehr zumutbar.

Wie gesagt: Wer nun Recht hatte, darein mochte Richter Claussen sich nicht vertiefen. Er war den streitenden Parteien ledigleich beim Poker um die Abfindung behilflich. Bei 15.000 fing Klöckner an, bei 22.500 Mark schlug Hasan F. ein. Schließlich ist er kein Unmensch. Das Geld wird er brauchen können: Er strebt anderen Verdienstmöglichkeiten zu. Sicher mit Erfolg. Denn: Etwas besseres als im Stahlwerk Scheißhäuser zu putzen, findest du überall.

Michael Weisfeld