Gratwanderung

■ Die Mediengewerkschaft RFFU bestreikt den NDR

Nie war es so spannend wie jetzt, den NDR einzuschalten. Jeden Augenblick kann etwas passieren. Mit Bewunderung ist zu beobachten, wie die RFFU fast in Guerilla-Manier den günstigen Augenblick abwartet, um zuzuschlagen. Der Respekt vor diesem einfallsreichen Arbeitskampf droht jedoch, die Inhalte der Tarifauseinandersetzung zu überlagern.

Wer die Forderungen der RFFU untersucht, staunt über die Schärfe des Konflikts. Das weiß auch RFFU-Chef Bräutigam, wenn er von einem „unfreundlichen Umfeld“ des Arbeitskampfes spricht. Denn: Ein Redakteur der untersten Gehaltsstufe verdient zu Beginn 3.860 Mark – geht er allen Beförderungen aus dem Weg, kommt er nach langen Berufsjahren dennoch auf über 6.000 Mark. Spitzengehälter sind das sicherlich nicht, aber durch Zuschläge schnellen die Gehälter bei öffentlich –rechtlichen Sendeanstalten gehörig in die Höhe – nicht nur bei jenen, die mit dem jeweils richtigen Parteibuch in Leitungspositionen katapultiert werden.

Zudem ist der von der RFFU geforderte Stellenausbau, der nach vereinbarter Arbeitszeitverkürzung nötig würde, um es solidarisch auszudrücken, verdammt schwer zu vermitteln. Es gibt in der Medienindustrie weitaus schlechtere Arbeitsbedingungen – auch was die effektive Arbeitszeit angeht. Prinzipiell ist jeder Versuch zu unterstützen, weniger zu arbeiten und mehr zu verdienen (außer vielleicht bei Intendanten). Aber: Die RFFU befindet sich derzeit auf einer Gratwanderung. Und nach den Versuchen, den regionalen Tarifkonflikt auch bundesweit auszutragen, bröckelt die Solidarität in Süddeutschland bereits – auch bei RFFU –Mitgliedern.

Axel Kintzinger