„Große Menschen“

■ China hebt die Ein-Kind-Regelung auf

Im Jahr des Drachen werden großartige Kinder geboren. In diesem Jahr, einem Drachenjahr, hat vielleicht nicht nur ein Sohn, sondern auch eine Tochter die Chance, groß zu werden. Die Tatsache, daß die chinesische Regierung für ländliche Gegenden die strikte Ein-Kind-Regelung aufgehoben hat, ist als ein Eingeständnis ihres Versagens zu werten. Die Menschen auf dem Land hielten sich sowieso nicht an das Gebot, sie hatten häufig mehrere Söhne. Versagt haben auch die Kampagnen gegen den Mord an kleinen Mädchen. Die Propagandatafeln für die Ein-Kind-Familie zeigten zwar immer ein Mädchen - aber die Traditionen entpuppten sich als stärker. Weibliche Föten wurden abgetrieben, Babies ausgesetzt oder umgebracht.

Traditionell waren Mord und Aussetzen die Methoden der Geburtenkontrolle für die Armen in China. In der jüngeren Vergangenheit wurden sie jedoch angewendet, um doch noch einen männlichen Nachkommen zu bekommen, auch wenn das Erstgeborene eine Tochter war. Denn nur ein Sohn sichert auch heute noch auf dem Land die Altersversorgung der Eltern. Und allein ein Sohn kann für das Wohlergehen der verstorbenen Ahnen sorgen. Denn nur ein bedeutender Mensch, ein Mann, darf die großen Seelen verehren und den in China trotz offiziellem Verbot - bedeutenden Ahnenkult ausüben.

China braucht dringend eine Reduzierung der Geburten. Lebensmittel, Wasser und Land sind knapp. Aber Familienplanung hat nur dann Zukunft, wenn sie mit einer Befreiung und Wertschätzung der Frauen einhergeht. Wenn auch das kleine Mädchen ein „großer Mensch“ sein darf, ist sie das, was heutzutage der Sohn ist: das eine Kind, das die Eltern sich wünschen.

Gunhild Schöller