Charakter-Detektive

■ Die Republikaner machen Jagd auf Dukakis

Wer sich über den jüngsten Sturm im amerikanischen Wahlkampf -Wasserglas am meisten die Hände reiben dürfte, ist der umstrittene Polit-Bizarro Lyndon LaRouche. Von dessen Gefolgsleuten ging vor Wochen das bislang unbewiesene Gerücht aus, daß Michael Dukakis zweimal in seinem Leben psychiatrische Hilfe gesucht habe. Dies allein wäre kein Grund für Schlagzeilen, hätte es nicht die Kampagne von 1972 gegeben, in der der Vize des damaligen demokratischen Präsidentschaftskandiaten McGovern, Thomas Eagleton, eine zurückliegende psychiatrische Behandlung hatte zugeben müssen. McGoverns Kampagne war am Ende, und eine neue Stufe im unbarmherzigen Ausleseverfahren für das höchste Amt im Weißen Haus erreicht. Eine Person mit unstabiler Gemütslage am nuklearen Drücker wäre etwas, das den amerikanischen WählerInnen den Schlaf raubt, argumentierte die 'New York Times‘ zu Beginn dieser Kampagne und ersuchte bei den Kandidaten um Listen aller Freunde seit dem Kindergarten, aller Schulzeugnisse und aller Strafzettel für falsches Parken seit Erfindung des Automobils.

Bei Gary Hart waren die Charakter-Detektive auf ihrer Suche nach einer befleckten Vergangenheit erfolgreich, bei Michael Dukakis wurde bisher niemand fündig, obwohl der Wahlkampfstab George Bushs eine halbe Million Dollar in die Recherche investiert hatte. Diese Suche in der Vergangenheit hat etwas Absurdes: Jeder in den USA weiß heute, daß Nationalheld John F. Kennedy ein Frauenheld war, jeder wußte, daß Richard Nixon ein gerissener Schurke ist, und jeder hätte 1980 wissen müssen, daß Ronald Reagan zwar schön reden kann, von Politik oder Ökonomie aber nicht die geringste Ahnung hat. Gewählt wurden sie trotzdem.

Stefan Schaaf