China: Alles dem Sohn zuliebe

Neue Familienplanung für Landbevölkerung / Wer nur ein Mädchen hat, darf zweites Kind bekommen  ■  Von Gunhild Schöller

Berlin (taz) - Ab sofort darf ein Paar in China auch zwei Kinder haben. Aber nur, wenn das Erstgeborene ein Mädchen ist und die Eltern auf dem Land leben. Ein Sprecher der staatlichen Familienplanungskommission bestätigte offiziell, daß die Vorschrift, nur ein Kind pro Familie haben zu dürfen, für ländliche Regionen jetzt gelockert wird.

Unter den 800 Millionen Chinesen, die auf dem Land leben, ist die Ein-Kind-Familie äußerst unpopulär. Viele Bauernfamilien halten sich nicht daran, sie wollen auf jeden Fall einen, am besten mehrere Söhne. Denn auf dem Land sichert nur ein Sohn die Altersversorgung der Eltern.

Schon vor der jetzt erfolgten offiziellen Erlaubnis aus Peking hatten einzelne Provinzregierungen die Vorschriften gelockert. Denn die Sanktionen, die über ein Paar verhängt wurden, das zwei oder mehrere Kinder hat, hatten nur für Städter tatsächlich auch praktische Bedeutung. Während es in China für ein Kind Mutterschutzurlaub, kostenlose Gesundheitsfürsorge, einen Kindergartenplatz und mehr Wohnraum gibt, handelt ein Paar sich mit einem zweiten Kind nur Nachteile ein: Abzüge vom Lohn, die Verweigerung von beruflichem Aufstieg und gesellschaftliche Ächtung.

Die Entscheidung der Familienplanungskommission kommt überraschend. Denn bislang war von offizieller Seite gefordert worden, die Vorschriften zur Geburtenkontrolle weiter zu verschärfen, damit die Bevölkerung nicht weiter wächst. Experten machten erst vor einem Monat den Vorschlag, ein „halbes Kind“ pro Familie solle das Ziel der Geburtenkontrollpolitik sein. Kommentar Seite 4