Rizzzz - ab 31.12. ausgerizzzzt

■ Am Montag soll das Direktorium von Radio-Bremen beschließen, daß das politische Jugendmagazin „Rizz“ zum Ende des Jahres 1988 ersatzlos gestrichen wird / Acht Mitarbeiter sollen entlassen werden

Die Mitarbeiter des politischen Jugend-Magazins Rizz fielen gestern aus allen Wolken: Zum 31.12. dieses Jahres, so lautet ein Antrag der Programmdirektorin Karola Sommerey, soll ihre Sendung wegfallen - ersatzlos. Denn Sommerey, so zumindest die „inoffiziell offizielle“ Begründung, muß sparen: 300.000 Mark. Der Verwaltungsrat hat der Hörfunk -Chefin diese Summe als Hausaufgabe gestellt, und die machte sich nicht die Mühe, gegen viele Interessen viele denkbare kleine Spar-Posten zu der stattlichen Summe zusammenzu

suchen. Der Kelch soll so an den anderen vorübergehen - denn bei Rizz lassen sich runde 300.000 Mark sparen, wenn der Rotstift mit einem Federstrich die gesamte Sendung aus dem Programm streicht.

Die Spareffekte liegen neben den eingesparten Beträgen für gelegentliche freie Mitarbeiter in acht Arbeitslöhnen der ständigen MitarbeiterInnen: Die sog. „festen Freien“ haben bei Radio Bremen einen Arbeitsvertrag, der für sie Sozialversicherung und eine abgestufte Lohn- und Beschäftigungs-Garantie bedeutet. Diese

Verträge sollen nun fristgerecht gekündigt werden. Zudem läuft der Zeitvertrag eines hauptamtlichen Redakteurs Norbert Lorenz zum Jahresende aus, auf eine Verlängerung kann also verzichtet werden. Der andere, Manfred Schlichting, hat gestern erfahren, daß er sich zum 1.1.1989 an irgend einer anderen Stelle des Senders wiederfinden wird.

Der Vorgang der vollständigen Streichung einer Sendung samt Redaktion ist in der westdeutschen Radio-Geschichte einigermaßen einmalig. Als Grund werden im Funkhaus Tendenzent

scheidungen angesehen: Rizz untersteht der Chefredaktion Politik und ist als Sendung mit „alternativer“ Tendenz immer wieder mit heftiger Kritik konfrontiert worden.

Einer der letzten „Fälle“ war ein unzensiert und life in die Sendung genommener Aufruf zu einer Demonstration gegen die drohende Räumung der besetzten „Hafenstraßen„-Häuser in Hamburg - sowas ist in Rizz möglich. Die Entwicklung des Radio-Bremen-Programms geht aber in eine andere Richtung. Die neue (Jugend-)Welle des 4. Programms (auf die Rizz „durchgeschaltet“ wird), wird von Musik-Redakteuren verantwortet und moderiert. Das 4. Programm untersteht der Abteilung Unterhaltungs-Musik.

Was auch immer an die Stelle von Rizz treten könnte - es darf kein Geld kosten. In der früheren Rizz-Sendezeit - das Jugend-Magazin wurde im September 1987 schon von 120 auf 70 Minu

ten zusammengestrichen - wurde einige Monate lang „Querbeat“ gesendet, nun werden zum Beispiel eine „volkstümliche Hitparade“ oder deutsche Schlager ausgestrahlt. Die Musik -Titel sucht der Computer aus, ein paar Worte dazwischen müssen, wie man dort täglich von morgens bis abends hören kann, weder geistige noch sonstige Unkosten verursachen.

Am Montag soll, so der Radio-Bremen-Fahrplan, das Direktorium die Rizz-Streichung zur Beschlußvorlage erheben, am 17.8. kann dann der Verwaltungsrat das Kapitel Rizz beenden - wenn nicht die MitarbeiterInnen von ihren arbeitsrechtlichen Möglichkeiten Gebrauch machen. Denn wenn sie auch keinen Anspruch auf einen Sozialplan haben erhebliche Entschädigungs-Ansprüche der Gekündigten könnten den offiziellen Sinn der Streichung, 300.000 Mark zu sparen, gründlich in Frage stellen.

Klaus Wolschner