Berlin - Müllhauptstadt der Nation

■ Hessischer Hausmüll soll nicht mehr nach Schönberg, sondern auf zwei senatsfinanzierte Deponien nahe Berlin gebracht werden / Berliner Senat fürchtet um Deponieraum / AL: Deponien völlig ungeeignet / Folgen für Berliner Grundwasser nicht auszuschließen

Das hessische Müll-Problem soll jetzt in der Umgebung Berlins gelöst werden. Hausmüll und Klärschlamm, teilte das hessische Umweltministerium mit, sollen nicht mehr auf die umstrittene DDR-Deponie Schönberg bei Lübeck gebracht werden, sondern auf die Deponien Schöneiche, rund 20km von Berlin entfernt, und Deetz, rund 30km westlich von Berlin an den Ufern der Havel. Nach den Schleswig-Holsteinern, die gegen die Mülltransporte nach Schönberg protestiert hatten, könnte nun für die Hessen ein neuer Streit mit den Berliner Kollegen ins Haus stehen. „Über den Sachverhalt sind wir sehr überrascht“, erklärte Sprecher Wandelt beim zuständigen Berliner Verkehrssenat gestern auf taz-Anfrage. Da die beiden Deponien auf Kosten des Landes Berlin errichtet wurden, seien die Berliner Interessen bzw. die einschlägigen Verträge mit der zuständigen DDR-Handelsgesellschaft Intrac durchaus von den hessischen Absichten betroffen. „Unsere Müllmengen“, so Sprecher Wandelt, „dürfen nicht tangiert werden.“

Zu prüfen sei, ob beide Länder überhaupt ihre Müllmengen dort unterbringen können. Das hessische Umweltministerium teilte mit, die DDR habe die beiden Deponien vorgeschlagen. Deshalb gehe man davon aus, daß die DDR auch über die Kapazitäten Bescheid wisse, erklärte eine Sprecherin im Wiesbadener Umweltministerium. Man wolle den Berlinern wolle keinen Deponieraum wegnehmen.

Einwände gegen den hessischen Mülltourismus meldete auch die AL an. Beide Deponien seien für die geplante Entsorgung nicht geeignet. Schöneiche, wo die umstrittene, vom Land Berlin finanzierte, Sondermüllverbrennungsanlage gebaut wird, verfügt weder über eine Basisabdichtung zum Grundwasser noch über eine Sickerwassererfassung bzw. Reinigung. Die Deponie Deetz wurde Anfang der 70er Jahre vom Land Berlin mitgebaut, allerdings ausschließlich für schadstoffreie Bauabfälle. Über den Zustand dieser Deponie, so der AL-Umweltschutzexperte Schwilling, sei bislang wenig bekannt. Es sei jedoch anzunehmen, daß es hier ebenfalls weder eine Basisabdichtung noch eine Sickerwasserreinigung gebe. Auswirkungen auf das Berliner Grundwasser seien bislang zwar nicht nachweisbar, durch Zirkulationen im Grundwasserbereich aber langfristig nicht auszuschließen.

Das hessische Umweltministerium hält die Deponien dagegen für „akzeptabel“. Die fehlende Sickerwasserreinigung und Basisabdichtung werde ausgeglichen durch eine „gute geologische Lage“ und eine „gut funktionierende Kontrolle“.

Von der Wende in der hessischen Müllpolitik fühlt man sich nur beim Umweltsenat nicht betroffen. Aus Umwelt- und Wassersicht, so Umweltsprecher von Bargen, gebe es keine Probleme. Die Deponie Deetz liege zwar an der Havel, auf Grund der Fließrichtung sei Berlin-West aber nicht betroffen.

bim