UNO-Giftgasreport beschuldigt nur den Irak

Zum dritten Mal stellt UNO-Kommission Einsatz chemischer Waffen durch den Irak fest / Neuer Report der Experten wirft allein dem Irak Giftgaseinsatz vor / Report kein endgültiger Beweis, daß Iran keine Chemiewaffen einsetzt / Falschmeldung von ap war keine Panne  ■  Aus Genf Andreas Zumach

„Iran und Irak setzten beide chemische Waffen im Golfkrieg ein“, meldete das New Yorker Büro der Nachrichtenagentur Associated Press (ap) am Montag dieser Woche. Auf der Basis dieser Meldung verbreiteten am Abend das CBS-Fernsehen in den Hauptnachrichten dieses „Ergebnis einer Untersuchung des UNO-Generalsekretärs“ und am Dienstag zahlreiche Zeitungen in aller Welt. Darunter waren die 'Neue Zürcher Zeitung‘ und - in großer Aufmachung - die „International Herald Tribune“.

Korrigiert haben sie diese - zu Zeiten der UNO-Bemühungen um eine Beendigung des Golfkrieges besonders brisante Falschmeldung bis heute nicht. Obwohl ap bereits Montag mittag New Yorker Zeit eine entsprechende Meldung über die Ticker geschickt hatte. Denn der Report von UNO -Generalsekretär Perez de Cuellar an den Sicherheitsrat, der jetzt in seiner vollständigen Fassung vorliegt, wirft ausdrücklich nur dem Irak den Gebrauch chemischer Waffen im Golfkrieg gegen Iran vor. Grundlage des Reports sind zwei Berichte einer Untersuchungskommission, die im Auftrag des UNO-Generalsekretärs vom 1.-5.Juli im Iran und am 10./11.Juli im Irak war. Nach dem verheerenden Giftgasangriff des Irak auf die zuvor von iranischen Truppen besetzte Kurdenstadt Halabschah am 16.März 1988, der über 5.000 Todesopfer forderte, hatte der UNO-Sicherheitsrat im Mai einstimmig „den fortgesetzen Einsatz chemischer Waffen im Golfkrieg in Verletzung des Genfer Protokolls von 1925“ verurteilt. Dies geschah offensichtlich auf Druck der USA ohne namentliche Nennung des Irak.

Zehn Tage später warf Teheran Bagdad den Einsatz chemischer Waffen gegen iranische Dörfer vor und verlangte von Perez de Cuellar die Entsendung einer Untersuchungskommission. Irak konterte mit der Behauptung, der Iran habe am 20.Juni und 1.Juli Giftgas gegen irakische Truppen eingesetzt. Außerdem habe man ein Lager mit chemischen Waffen in einem von iranischen Truppen verlassenen Frontabschnitt gefunden. Die Spezialisten der UN-Kommission, Dr.Erik Dahlgren vom schwedischen Institut für Verteidigungsforschung sowie Dr.Manuel Dominguez, Professor an der Universität Madrid und Spezialist für Giftgasverletzungen, denen in Teheraner Krankenhäusern Verwundete vorgeführt wurden, bestätigen in ihrem Bericht „die Verletzung von Patienten durch chemische Waffen, einschließlich Senfgas“. Sie fanden „Waffenfragmente, die Bomben ähneln, die bereits 1984, '86 und '87 gegen iranische Truppen auf iranischem Territorium eingesetzt wurden“. Dies sei „ein Indiz für den wiederholten Einsatz dieser Waffen durch irakische Truppen“. Es ist das dritte Mal seit 1984, daß eine UNO-Kommission den Gebrauch chemischer Waffen durch den Irak feststellt. Inzwischen hat die Regierung in Bagdad den Einsatz chemischer Waffen im Golfkrieg offiziell zugegeben.

In Bagdad wurden den beiden Experten neun verwundete irakische Soldaten vorgeführt, an denen sie „Anzeichen für die Verwendung von Senfgas von sehr geringer Intensität und begrenzter Wirkung“ feststellten. Weiter heißt es in ihrem Bericht: „Fragmente von Gasgranaten, die nach einem vom Irak behaupteten Angriff Irans auf die Stadt As Sulaymaniyah gefunden wurden, enthielten Senfgas.“ Doch sie ziehen daraus nicht den Schluß, der Iran habe chemische Waffen eingesetzt. Das läßt die Möglichkeit offen, daß die irakischen Soldaten bei Giftgaseinsätzen des eigenen Landes verwundet wurden. Dieser Verdacht war schon gleich nach dem Angriff auf Halabscha aufgetaucht. Damals verweigerte der Irak einer UNO -Kommission den - vom Iran geforderten - Zutritt in die Stadt und deren Umgebung und bot lediglich verwundete irakische Soldaten in Bagdader Krankenhäusern als angeblichen Beweis für iranische Giftgaseinsätze an.

Iran verfügt über die technischen Einrichtungen und die Rohstoffe, um chemische Waffen in großen Mengen herzustellen. Dafür - wie für den Chemiewaffenbesitz des Irak - haben nicht zuletzt bundesdeutsche Firmen gesorgt. Auf Befragen der taz erklärte Irans Außenminister Velayati im April in Genf, sein Land behalte sich den „Vergeltungseinsatz“ vor und schloß nicht aus, daß sein Land bereits über Chemiewaffen verfügt. Der UNO-Report ist keineswegs ein endgültiger Beweis, daß Iran bislang keine Chemiewaffen eingesetzt hat. Er sagt lediglich, daß keine Beweise für einen solchen Einsatz gefunden werden konnten. Doch dieses Ergebnis paßt nicht in das antiiranische Propagandabild besonders US-amerikanischer Medien. „Die haben sich noch immer nicht vom Trauma des Teheraner Geiseldramas vor acht Jahren befreit“, erklärt ein US -Journalist gegenüber der taz.

Nach Meinung vieler US-amerikanischer Journalisten habe der Iran den Golfkrieg begonnen, als erster Schiffe dritter Staaten im Golf angegriffen und eben auch chemische Waffen eingesetzt. Für ihn ist die Falschmeldung des New Yorker ap -Büros „nicht nur eine Panne“. Am Dienstag heißt es in einem Bericht des Washingtoner ap-Büros über die Verurteilung der im UNO-Bericht festgestellten irakischen Chemiewaffeneinsätze durch die US-Regierung: „Zu den im UNO -Report dokumentierten Chemiewaffeneinsätzen des Iran äußerte sich die Reagan-Administration nicht.“