Über Juden und Deutsche

■ Von irdischem jüdischem und christlichem Trachten nach himmlischer Gerechtigkeit

Trotz des „gerade für uns deutsche Christen großen Anteils an Schuld und Beschämung“ in der Geschichte zwischen Christen und Juden wurde gestern Pastor Wilimzig lieber nicht direkt politisch. Vor den jungen und alten KirchgängerInnen ging es weder um deutsche Gaskammern für Juden noch um israelische Bulldozer, die Palästinenserjugendliche lebend zuschütten. „Israel hat dem Gesetz der Gerechtigkeit nachgetrachtet und hat das Gesetz der Gerechtigkeit nicht erreicht. Warum das? Darum, daß sie es nicht aus dem Glauben, sondern aus den Werken des Gesetzes suchen.“ Das schrieb der Christenverfolger und spätere Christ und Apostel Paulus an die Römer (9).

In der „Tenever-Gemeinde“ ging es am 10. Sonntag nach Trinitatis, dem Gedenktag der Tempelzerstörung und der jüdischen Diaspora, um Juden und Christen. Ganz genau genommen käme ein Skandal heraus, der lauten würde: Juden sind berechnend. Sie führen eine Art Bilanz der guten Taten, der „Werke“, schielen auf die große Abrechnung vor dem Thron Gottes und führen ein dickes Konto im Buch des Herrn, in dem sie die Posten ihrer Frömmigkeit addieren.

Nein, so hat der Pastor das zwar fast gesagt, aber doch nicht ganz gemeint. Hinweisen wollte er mit Paulus‘ Worten auf den (traditionell israelischen) Weg, der zum Scheitern verurteilt ist, der Gerechtigkeit und gut-Dastehn-vor -Gottfür eine Leistungsfrage hält - und den anderen, richtigen Weg, den aber erst das Christentum durch Jesus geschenkt bekam: die irdischen Möglichkeiten der Liebe zu den Mitmenschen zu sehen, mit nichts als der Liebe Gottes hier im irdischen Leben Solidarität, Frieden, Liebe zu schaffen. Pastor Wilimzigs Kirchen-Gebet gilt dem Leben von Deutschen, Israelis und Palästinensern, dem aller Menschen.

So ganz wird der Pastor das mit dem berechnenden Juden trotzdem nicht los. An Paulus sollen wir uns ein Beispiel nehmen. Der hat „große Traurigkeit und Schmerzen ohn‘ Unterlaß“ in seinem Herzen, wenn er an seine Väter und Brüder denkt, die reich und auserwählt sind, alles „Kindschaft und Herrlichkeit und Bund und Gesetz und Gottesdienst und Verheißungen“ - haben und die Gerechtigkeit doch verfehlen, eben weil sie nach „Gerechtigkeit aus den Werken trachten“, den vorzeig- und addierbaren. Gegen die unberechtigte christliche Arroganz den jüdischen „Gottesmördern“ gegenüber („obwohl doch Pontius Pilatus gekreuzigt hat“) stellt Pastor W. das Mit -leiden des Paulus mit den Andersdenkenden; die Traurigkeit trotz aller Unterschiede. Jesus war Jude, und die christliche Arroganz wollte der Pastor weghaben. Aber: Der jüdische Weg bleibt der des Scheiterns. Susanne Paa