Veto gegen kommunale Demokratie

■ SPD-Fraktion in der Diskussion um das Beirätegesetz vor dem Rückzieher / Erst Meyer-Entwurf gekippt, jetzt Kritik an weitgehendem Alternativpapier / Entweder Ausländerwahlrecht oder starke Beiräte?

Wenn Christian Weber, Sozialdemokrat, Sprecher des Beirates Hemelingen und des Gesamtbeirates, in Hastedt aus dem Fenster seiner Wohnung blickt, hat er ein Beispiel für die Machtlosigkeit seines politischen Wirkens vor Augen: An der Hastedter Heerstraße entsteht zur Zeit ein großer Supermarkt auf ehemals städtischem Grund und Boden. Als der Beirat Hemelingen und die Hastedter BürgerInnen über Sinn und Unsinn des neuen Geschäftes diskutieren konnten, waren die Fakten längst geschaffen. Die Stadt hatte das Grundstück bereits an die Bauinteressenten verkauft.

Der vor Ort unerwünschte Bau eines Supermarktes: ein Beispiel von ungezählten, wie in Bremen kommunale Politik zentral gesteuert wird. Nach langen, heftigen Diskussionen auch zwischen SPD-Regierung und SPD-Kom

munalpolitikern in der vergangenen Legislaturperiode, versprach Bürgermeister Klaus Wedemeier gemäß Parteiprogramm in seiner Regierungserklärung Besserung: Das Beirätegesetz sollte novelliert werden, um die örtlichen Gremien - auch von AusländerInnen - direkt wählen zu lassen und um deren Rechte zu stärken.

Der Entwurf, den Innensenator Bernd Meyer vorlegte, ist für Christian Weber „totaler Schwachsinn“. Zwar sollen BremerInnen bei der nächsten Bürgerschaftswahl ein Kreuzchen mehr machen und so insgesamt 316 Kommunalpolitiker wählen dürfen, doch die sind dann gar keine Politiker, sondern nur Mitglieder eines Verwaltungsorgans, ohne konkrete Kompetenzen.

Bei einer Anhörung der SPD-Gesamtbeiratsfraktion im Juni

überraschten Christian Weber, Angelika Pensky (Beirat Östliche Vorstadt) und Reinhard Uhde (Beirat Vahr) Innensenator Meyer mit einem komplett neuen Gesetzentwurf. Auf 15 Seiten wird unter anderem detailliert ausgeführt, welche Kompetenzen die Beiräte haben sollen. Quintessenz: Die Ortspolitiker sind zukünftig direkt gewählte politische Vertreter, die „das stadtteilbezogene Interesse der Bevölkerung gegenüber der Stadtbürgerschaft und dem Senat der Freien Hansestadt Bremen wahrnehmen.“ Der Beirat soll bei kommunalen Maßnahmen beratend beteiligt werden, und seine Stellungnahmen sind von „planenden und ausführenden Stellen zu berücksichtigen“. Die Zuständigkeit für Bebauungspläne, Straßenbau und Umweltschutz soll von der Stadtbürgerschaft auf die Beiräte über

gehen.

Zwar soll der Senat Beiratsbeschlüsse, die seiner Ansicht nach gegen Rechtsvorschriften verstoßen, kassieren können, doch dem Beirat bleibt die Möglichkeit, auf seiner Auffasung zu bestehen. Dann müßte die Stadtbürgerschaft entscheiden, in der wiederum ein(e) BeiratsvertreterIn Rederecht erhalten soll.

Der Entwurf, der auch Kritik und Anregungen von CDU und Grünen-Ortspolitikern berücksichtigt, fand anscheinend auch Sympathie beim SPD-Fraktionsvorsitzenden Claus Dittbrenner, der den Meyer-Entwurf zum Abschuß freigab und eine Arbeitsgruppe unter Leitung des SPD-Innenpolitikers Peter Sakuth beauftragte, auf der Basis des Alternativentwurfes einen Gesetzentwurf der Fraktion zu erarbeiten.

Bevor sich die Arbeitsgruppe zum ersten Mal zusammengesetzt hat, wird aus der SPD-Bürgerschaftsfraktion quergeschossen. In einem Papier aus der Fraktionsspitze, das den bisherigen Diskussionsstand zusammenfaßt, wird dem weitgehenden Vetorecht in dem Weber-Entwurf eine kleine Alibilösung entgegengestellt. Die Beiräte sollen danach nur gegen Deputationsbeschlüsse Einwände erheben können, und auch das nur, wenn der Beirat dieses einstimmig beschließt. Und zur Frage, welche Aufgaben die Beiräte künftig wahrnehmen sol

len, resümiert das Papier aus der Fraktionsspitze: „Was im Entwurf des Innensenators steht, ist u.E. umfassend; alternativ dazu ist im Grunde auch der alte Paragraph des geltenden Beirätegesetzes abzuwägen, der genauso umfassend ist.“ Im Klartext: Der Meyer-Entwurf unterscheidet sich zwar nicht vom alten Gesetz, ist aber dennoch ausreichend.

Indirekt wird in dem Papier auch davor gewarnt, daß das geplante kommunale Wahlrecht für AusländerInnen durch eine eventuelle Klage der CDU vor dem Staatsgerichtshof gekippt werden könnte. „Durch die in dem Entwurf beibehaltene Konstruktion der Beiräte als Verwaltungsausschüsse (d.h., ohne Machtbefugnisse, d.Red.) sind die verfassungsrechtlichen Risiken sehr gering (die Einführung eines Kommunalwahlrechtes wird von 'konservativen‘ Juristen als verfassungsrechtlich unzulässig angesehen).“

„Die kommen mit allen Argumenten, um ihren Beiratsentwurf abzufedern“, hält Christian Weber dagegen. Das geplante kommunale Wahlrecht für AusländerInnen sei ohnehin nur „ganz nett, sympatisch, aber halbherzig“. Immerhin sei ein Anfang gemacht, und, in Ermangelung von Grundsatzurteilen, „muß man wenigstens versuchen, das durchzusetzen.“

Holger Bruns-Kösters