Schock am Sonntag

■ Ein Blick in die Wohnungs-Kleinanzeigen

Ich will mit meinem Liebsten zusammenziehen. Mein Lebensglück hängt am Wohnungsmarkt und deshalb greife ich, trotz der Aussichtlosigkeit, jeden Sonntag gierig nach der 'Mottenpost‘. Letztens z.B. war da ein Angebot: vier Zimmer, Küche, Bad, in Charlottenburg, 750 Mark kalt. „Ja, wieviele Personen sollen denn da einziehen“, fragt mich der Vermieter. „Wir möchten gerne zu zweit da wohnen“, sag‘ ich, „ich und mein Partner.“ - „So, Sie sind also nicht verheiratet, also da seh‘ ich Schwierigkeiten, wissen Sie, ich hatte mir eine Familie vorgestellt.“ Mir fallen fast die Ohren ab! Biedermanns Moral feiert fröhliche Urständ. Oder doch nicht? Ein Bekannter klärt mich auf: Das ist doch Kopfgeld von der WBK. Wenn Du eine Vier-Zimmer-Wohnung an eine Familie mit zwei Kindern vermietest, kriegst Du 10.000 Mark bar Kralle, für nüscht!

Und überhaupt, die Preise. Zehn Mark kalt auf den Quadratmeter ist geradezu billig! Das geht weg wie nix. Schwerer hat's der Makler schon mit dem Dachgeschoß in der Kirchstraße/Alt Moabit. Das bietet die Maklerfirma nun schon seit drei Monaten jeden Sonntag an wie Sauerbier. Exklusiv steht da, Sonnenterasse, 130qm usw. da läuft einem schon das Wasser im Munde zusammen, doch dann, drei Zeilen weiter, das jähe Entsetzen: Das Schmuckstück soll 2.422,35 Mark kosten, jeden Monat.

Kürzlich hätte es beinahe mal geklappt. Ein Freund von einem Freund und davon der Freund hat mit öffentlichen Geldern ein Dach ausgebaut. „Kannst Du haben, wenn es Dir gefällt“, hatte der mir ganz trocken gesagt. Doch 'ne Woche später ruft er mich an. „Tut mir leid, der Senat hat jetzt die Finger drauf, der muß die Umsiedler unterbringen, tut mir leid.“

Ich will erst gar nicht anfangen über die Vielzahl von Chiffre-Anzeigen zu jammern, auf die ich völlig vergeblich freundliche Briefe geschrieben habe. Als nun kürzlich doch mal 'ne Antwort kam, wurde mir klar warum. 120 Leute hätten ihm geschrieben, erzählte der Vermieter. Die Wohnung ist billig. 600 Mark kalt. Ihr Zustand allerdings katastrophal. Die Renovierung würde glatt 5.000 Mark verschlingen. Aber was soll's, für die nette Wohnung, die ich letztens in Neukölln gesehen habe, wollte der Vormieter 10.000 Abstand haben. Aber die haben wir eh nicht gekriegt, der Vermieter kann nämlich Journalisten nicht leiden...

Vielleicht klappt's ja mit dem neuen Trick: „Mietvorauszahlung“ hab‘ ich jetzt in einer Annonce gelesen. 15.000 Mark soll man im voraus löhnen, als zinslosen Kredit an den Vermieter sozusagen.

bf