STATTFRIEDHOF

■ Stadtmusik in Neukölln

Eingedenk der Erfahrungen vom letzten Wochenende war ich diesmal schon um halbsechs da. Völlig umsonst. Im Hinterhof der Weserstraße 24 sah es so aus, als würde hier in den nächsten drei Stunden nichts passieren; ein überlasteter Punk räumte Beschallungszubehör hin und her, ein paar andere Holzbänke, und mich fragten sie, was ich hier wolle. Musik hören natürlich. „Willste 'n Job?“ „Mit Geld?“ „Ohne“. Damit war die Stipvisite zu Ende und ein kurzer Spaziergang durch den Bezirk brachte Herbstgefühle: wie ein Friedhofsbummel, nur daß hier die Grabsteine Fenster haben.

Vier Tassen Kaffe später bin ich zurückgekommen, acht Uhr, jetzt müßte die Hinterhofmusik eigentlich auf dem Höhepunkt toben, aber es war wieder alles zu spät. Sie hatten die zwei Stunden meiner Abwesenheit hinterhältig genutzt, falsche Spuren ausgelegt (die Hausnummern auf der Einladungskarte stimmten zur Hälfte nicht) und recht früh aufgehört.

Sonnenalle 79, da spielte noch „Kladderadatsch“ aus Holland eine klebrige Mischung aus Bläserunvermögen und Urlaubserinnerungen zusammen, ein Paar leuchtender Augen berichtete, daß ich den Hit des Abends, die schottische „Battelefield Band“ versäumt hätte, “... mit dem Weltmeister im Trommeln!“, was es alles gibt. Die weltgewandten Neuköllner hatten sich Dosen und Klappstühle mitgebracht, die Musik war konsensfähig und in der Totalen sah es so aus, als hätte man hier zum ersten Mal überhaupt Kontakt mit kulturellen Ereignissen: in die verschwitzten Gesichtern zeichnete sich diese eigenartige Mischung aus völliger Überraschung und selbstbewußtem „Wir sind schließlich auch wer!“. Aber wer?

rah!