WILLIAM LIEBTE EINE(N) KELLNER(IN)

■ „Shakespeare - The Sadist“ von Cocolemoco in der Ufa-Fabrik

Drei „richtige Männer“ und eine „richtige“ Frau verbringen ihre Zeit miteinander und schauen dabei zu tief in die Flasche. Die Frau zeigt viel Haut und gurrt und lacht, und die Männer schnaufen und blähen die Backen, spielen Karten und spucken, werfen sich in die Brust und tanzen um ihren Phallus. Lassen dann zwei der Männer die Frau und den dritten Mann allein, weil sie z.B. ins Kino gehen, wird es mulmig. Dann beginnt ein Horrorfilm.

Zuerst ist die Frau neugierig auf den Mann, dann aber zieht der Mann die Folterinstrumente aus dem Koffer. Er kneift die Frau mit einer Zange in ihren spärlich bekleideten Hintern und kettet sie an. Schwitzend zieht er seinen Trenchcoat aus und öffnet schon einmal den Hosenschlitz. Shakespeare zitierend schlägt er auf die Frau ein, drückt Zigaretten auf ihrer Haut aus und Shakespeare-Gedichte in ihren Schoß, die sie vorlesen muß, damit er sich dabei kräftig sein Lustorgan massieren kann. Dann will er, daß sie ihn mit dem Schwert von Richard III. martert. Oh, wie sie das genießt, daß sie jetzt Macht über ihn hat! Sie leckt sich den Mund, rollt die Augen und stöhnt und kreischt. Aber sie stößt nicht zu, um sich ihres Peinigers zu entledigen, denn obwohl sie könnte, kann sie nicht, weil sie es nicht gewohnt ist, das Schwert des Mannes in ihrer eigenen Hand zu halten. Es ist offensichtlich, daß sie die Waffe nur hält, weil sie darf, weil er es zuläßt. Und dann nimmt er sie mit auf den Küchentisch, und sie heult und will, und will doch nicht, wehrt sich aber nicht, sondern schmeichelt ihm, während er geistesabwesend aufgegeilt vor sich hinphilosophiert. Dann setzt er sich den Kopf des Esels aus dem Sommernachtstraum auf, leckt mit dessen Zunge die Frau geifernd zwischen ihren Beinen, hebt sie an ihnen hoch und steckt sein Teil von hinten in sie hinein, während sie kopfunter hängt. Wenn die beiden anderen Männer noch besoffener als zuvor aus dem Kino zurückkehren, ist es, als ob nichts gewesen sei, oder noch schlimmer. Einer der Heimkehrenden vögelt die Frau von hinten aus dem Raum hinaus, eine andere Frau so, daß sie gleich dabei stirbt. Haltet ein! Aber nein, da schlägt der Mörder dem Sadisten dessen riesig eregiertes Glied ab und haut es noch einmal in Stücke, daß das Blut zu Boden klatscht.

Der Sadist war niemand anderes als Shakespeare selbst. Trotz allen Blutes, das in seinen Dramen badewannenweise abtransportiert wird - das hätte ihm dann wohl doch niemand zugetraut! Zu Shakespeare fällt kurz Nachsinnenden erst einmal alles mögliche ein, elisabethanisches Theater natürlich, Macbeth, Romeo, Othello und Julia, der Kampf um die Macht und tragisch endende Lieben, die Frage, ob Shakespeare homo-, bi-, oder heterosexuell war. Zu Kino fallen ihnen Stars und Starlets ein, Westernhelden, Gangster und Polizisten, schöne Frauen, Illusionen von Liebe und Gewalt, und zu Sex schließlich Geschlechtsverkehr mit oder ohne Liebe, Gefühle aller Art und Gewalt. Aber niemand denkt bei Shakespeare an Gregory Peck, bei Kino an Ariel oder bei Sex an Theater. Dabei ist die Schnittmenge so klar zu erkennen.

Aus dieser Schnittmenge und der Vorlage von Wolfgang Bauer hat die jugoslawische Theatergruppe Cocolemoco mit Hilfe von Filmausschnitten, Rockmusik und Bühnentricks eine „Komödie“ gebastelt in der Film und Kino für die drei Männer und die Frau zu einem Ersatzleben werden. Unfähig, miteinander umzugehen, fallen die vier mit dem Einnehmen der stereotypen Rollen ihrer filmischen Ersatzerlebnisse in Abgründe und merken es noch nicht einmal. Nur die Frau ahnt es manchmal, macht das Spiel aber mit und geht daran sehend zugrunde, ähnlich der Frau in einem der Filme, die während der horrenden Szenen laufen: Eine feine Frau, zart und vornehm schreit „Non, non!“ und rennt den Männern hinterher, weil sie den einen natürlich liebt, aber der hört sie nicht, sondern steigt in sein schwarzes Auto und fährt davon. Sie stolpert, fällt und bleibt auf der Straße ausgestreckt zurück - Schnitt.

Ab und an bringt ein kleiner Kellner in schwarzweißer Berufskleidung Getränke und Speisen auf die Bühne. Es ist nicht zu erkennen, ob es ein Er oder eine Sie ist. Die blonden Haare hat er/sie streng nach hinten brillantiniert, und in dem weißen Gesicht leuchten die Lippen rot. Leise kommt er/sie heran, stellt sachlich die Bestellung ab und hat für die Raserei der „richtigen“ Männer und Frauen nur einen kurzen Blick übrig. Für ihn/sie muß Shakespeare seine Sonette gedichtet haben.

Claudia Wahjudi