„Sie trafen auf Unverständnis“

Der lettische Dokumentarfilmer Podnieks zum Problem der Afghanistanheimkehrer  ■  Von Barbara Kerneck

Berlin (taz) - Der lettische Dokumentarfilmregisseur Juris Podnieks hat in seinem abendfüllenden Film „Ist es leicht, jung zu sein“ die Probleme von Jugendlichen in der UdSSR heute gezeigt. Über 20 Millionen sowjetische Zuschauer sahen im vorigen Jahr den Film. Heftige Diskussionen rief unter anderem die Darstellung einiger junger Afghanistan -Heimkehrer im Film hervor. So hat Podnieks zum Beispiel in einer Einstellung einen mit Orden behängten Heavy-Metal-Fan in einer Blende mit mit einem jungen Afghanistan-Veteranen kontrastiert, der verschämt seinen Orden in der hohlen Hand verschwinden läßt. Die taz fragte Podnieks nach der Bedeutung dieser Szene. Podnieks: „Die ganze Geschichte mit den Burschen aus Afghanistan ist für mich sehr kompliziert, weil ich dieser Angelegenheit ambivalent gegenüberstehe.

Ich bin kein Pazifist, aber ich kann sagen, daß es eine tragische und ziemlich sinnlose Aktion war, daß am Ende des 20. Jahrhunderts Leute, die halb so alt waren, wie ich selbst, andere umbringen und selbst sterben mußten. Andererseits muß ich berücksichtigen, wie ich mich in ihrer Situation verhalten hätte. Im Westen wird da oft sehr theoretisch das 'richtige Betragen‘ im Krieg erörtert. Aber als ich selbst mit den weinenden Müttern und dann auch mit diesen jungen Männern gesprochen habe, da begriff ich, in welche Katastrophen wir diese jungen Seelen hineingetrieben haben.

Als unfertige Persönlichkeiten mußten sie einen furchtbar komplizierten Weg der Erkenntnis gehen. Und dann kamen sie also zu uns zurück und trafen auf eine Mauer des Unverständnisses. Denn jetzt beginnen wir zwar schon, über diesen Krieg zu reden, aber lange Zeit wurde eben überhaupt nicht darüber gesprochen. Und man begegnete diesen Jungs, als ob es nicht die eigenen Kinder wären, sondern irgendwelche Fremde.

Wir haben sie wie Menstruationstampons benutzt: Erst brauchten wir sie und dann - pfui, weg damit! Und wenn die Entwicklung dem jetzt nicht zuvorgekommen wäre, hätte es sein können, daß sie sich eines Tages auf uns stürzten, um uns umzubringen. Ich kenne noch heute Fälle, wo die Jungs ohne Arme oder Beine irgendwo in einer Wohnung im dritten Stock sitzen, und wenn sie darum bitten, ob man ihnen nicht eine ebenerdige Wohnung geben könnte, damit sie im Rollstuhl ein bißchen rausfahren können, dann heißt es bei den Behörden: 'An Sie kommt die Reihe vielleicht in acht oder zehn Jahren.‘ Natürlich ist das in wenig übertrieben. Es gibt zunehmend Stellen, die sich um diese Leute kümmern und wo sie auch auf Verständnis stoßen. Aber bisher entstand eben der Eindruck, daß wir sie schon nicht mehr brauchen. Und deshalb ist so ein Orden sehr vieldeutig. Dieser junge Mann versteckte seinen Orden nicht, weil er sich für das schämte, was sie in Afghanistan getan hatten, sondern eher, weil er sich für uns schämte. Diese Jungs befürchten, daß die Leute nicht begreifen, wer sie sind und daß jemand sagen könnte: 'Ach guck mal, der Kleine da, hat seinen Orden wahrscheinlich auf dem Flohmarkt gekauft oder sogar irgendwo geklaut.‘ So wie Tschernobyl für uns zu einem 'Warnzeichen vor dem Untergang Babylons‘ geworden ist, so - hoffe ich wird auch Afghanistan zu einer Warnung für unser Land werden.“