PLO-Unabhängigkeitserklärung veröffentlicht

■ Israelisches Fernsehen dokumentiert Version von „palästinensischen Gewährsleuten“ / Zweites Exemplar bei Razzia der Polizei in Ostjerusalem gefunden / Arafat soll an der Spitze des Staates stehen / Shamir spricht von „gefährlichen Träumen“

Jerusalem (ap/taz) - Die Führung des Aufstands in den israelisch besetzten Gebieten will nach einem Bericht des israelischen Fernsehens einen unabhängigen palästinensischen Staat ausrufen, Israel anerkennen und Friedensverhandlungen aufnehmen. Der jordanische König Hussein, der mit dem Abbruch der rechtlichen Bindungen zur Westbank die neue Entwicklung in Gang gebracht hatte, bildete am Samstag die Regierung in Amman um und löste das Ministerium für die besetzten Gebiete auf.

Das israelische Fernsehen berichtete am Samstag abend, eine Fassung der palästinensischen Unabhängigkeitserklärung sei von palästinensischen Gewährsleuten an die Öffentlichkeit gebracht worden, ein zweites Exemplar habe die Polizei bei einer Razzia im Ostjerusalemer Institut für Arabistik gefunden. Danach soll der Vorsitzende der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Jassir Arafat, an der Spitze des palästinensischen Staates stehen.

Das Hoheitsgebiet soll neben der Westbank und dem Gazastreifen auch einige überwiegend von Arabern besiedelte Gebiete in Nordisrael umfassen. Der Grenzverlauf müsse aber mit Israel ausgehandelt werden. Der palästinensische Staat soll in Jerusalem ausgerufen werden. Außenminister soll der Leiter der Politischen Abteilung und außenpolitische Experte der PLO, Faruk Kaddumi, werden. Prominenten Palästinensern wie Georges Habasch und Nayef Hawatmeh sei eine Ministerrolle zugedacht. Die Palästinenser werden einen Nationalrat in den besetzten Gebieten ins Leben rufen.

Die im Untergrund tätigen Volkskomitees in den besetzten Gebieten sollen zu vollgültigen Regierungseinrichtungen ausgebaut werden. Die Palästinenser im Besatzungsgebiet sollen von der PLO ausgegebene Personalausweise erhalten.

In einem Interview des bulgarischen Fernsehens erklärte PLO -Chef Arafat am Wochenende, die Gründung eines palästinensischen Staates sei nur eine Frage der Zeit. „Wir sind auf der letzten Etappe unseres Kampfes und werden bald unsere Fahne in Jerusalem hissen“ sagte Arafat nach einem Empfang beim bulgarischen Staatschef Schiwkoff.

Der israelische Ministerpräsident Schamir bezeichnete die Entwürfe als „sinnlose und gefährliche Träume, die sich nicht erfüllen“.

Ein Beamter des Außenministeriums sagte der 'Jerusalem Post‘, wahrscheinlich würden 30 bis 40 Staaten einen Palästinenserstaat anerkennen und Israel damit vor große Probleme stellen.

Ein hoher jordanischer Regierungsbeamter erklärte am Samstag, wie Jordanien nach der Entlassung fast aller Beamten in der Westbank und der Auflösung des Ministeriums weiter verfahre, hänge von der PLO ab. Sicher sei, daß die Paßgesetze geändert würden. Mehrere PLO-Mitarbeiter in Bagdad erklärten, die Bildung einer eigenen Regierung werde erwogen, und grundsätzlich gebe es kaum Widerstand in ihren Reihen. Aber es sei noch nichts entschieden. Führende Vertreter der Organisation wollten in nächster Zeit mit arabischen Staatschefs darüber beraten und das Projekt dem Palästinensischen Nationalrat vorlegen. Der Nationalrat ist ein Exilparlament, dem 400 Mitglieder angehören.

Der Staatssekretär im US-Außenministerium Murphy wollte am Sonntag mit Schamir und Außenminister Schimon Peres über die Folgerungen aus dem jordanischen Schritt beraten und sie über die Gespräche informieren, die er kürzlich mit seinem sowjetischen Amtskollegen Wladimir Poljakow geführt hatte. Wie verlautete, will Murphy anschließend nach Jordanien und Ägypten weiterreisen und dort auch mit Palästinensern zusammentreffen, die nicht der PLO angehören. Murphy hatte in der vergangenen Woche mit dem syrischen Staatspräsidenten, Hafis el Assad, konferiert.

In den besetzten Gebieten demonstrierten Palästinenser gegen den Besuch Murphys. Die Führung des Aufstands hatte dazu aufgerufen, um gegen die Weigerung der USA zu protestierten, mit PLO-Vertretern zu sprechen.

aw