Werbespot zum Schönschauen

■ Die Bremer Werbeagentur „RWS“ hat gemeinsam mit dem freien Filmproduzenten Ulrich Bock den einzigen Goldenen Löwen der 88er Werbefilmfestspiele Cannes für Deutschland nach Bremen geholt

Es fängt mit Kieselsteinen an. Ein ganzer Haufen davon. Schön verteilt auf einer richtigen Schwachhauser-Heerstraße -Villen-Einfahrt. Der knirscht in deinen Sommersandalen, daß du denkst, du bist im Film. Trotzdem kein Butler an der Tür. Bloß eine gefällige Empfangshalle, viel Dunkelholz, viel Modern, viel schöner Teppichboden unter irgendwie hübscher Beleuchtung.

Dann führt Dich jemand nach

oben, und da geht es so weiter, wie die Kieseleinfahrt verspricht. Einfach schön. Büros zum Wohlfühlen mit Blick auf Rundbalkon und Baumgegrün. Drinnen sitzen zwei Männer, die sind so angenehm wir ihr Büro: Wolfgang Strauß, Chef der Bremer RWS-Werbeagentur, ehemals Grafik-Designer, und Ulrich Bock, freier Filmproduzent mit immer mal wieder RWS-Aufträgen, Chef eines 4-Menschen-Unternehmens,

ehemals Verlagskaufmann.

Herr Strauß und Herr Bock sind ziemlich heitere Familienväter zwischen 40 und 50, Menschen mit bestimmt gepflegten Frauen, gepflegten Kindern, einem schönen Badezimmer, furchtbar gutem Frühstück und voller Frohsinn. „Wir haben einen Beruf, der uns Spaß macht“, sagt Herr Strauß, „das ist, glaube ich, die Hauptmotivation. Daß man damit auch Geld verdienen kann, ist auch klar.“ Das ist auch schön.

Strauß und Bock haben zusammen einen Film gemacht („Nein, nein, einen Film machen ja immer viele Leute“). Den gibt's im Kino kurz bevor es Warncke-Eis gibt, und er ist so schön, daß er als erster deutscher Werbefilm in Cannes einen Goldenen Löwen bekommen hat. Blaustichig colorierte Schönmenschen tanzen sich düsterhübsch zu Depeche-Mode -mäßigen Industrieklängen („Heavy Metal, nicht...ungewöhnlich, höhö“, sagt Herr Bock) durch die Zeche Zollverein in Essen.

Die irgendwie geniale Verbindung von Zeitgeist-Ikonen zu einer Tanzen-Arbeiten-EisEssen-Philosophie. Der Werbespot als Popvideo zum Schönschauen. „Es ist in diesem Sinne auch keine Werbung“, sagt Strauß, „es ist ein Imagefaktor.“ Es durchbricht nämlich einen Batzen marketingtechnischer Strategien. Das darf es auch. „Das ist ja kein Fernsehspot, sondern ein reiner Kinospot“, lebhaftet Bock. Er redet gern und schön lebhaft. „80% der

Kinobesucher sind eine junge, sehr kritische, aber vorsensibilisierte Gruppe zwischen 15 und 25, die sich nicht mit normaler Fernsehwerbung identifizieren. Da kann man sich mal eine Kreativität leisten, die nicht üblich ist. Das Produkt wird ja auch sozusagen gleich geliefert.“

Ein 3/4 Jahr lang wurden unter diesen Vorgaben „waaaahnsinnig viele Ideen produziert“ (20), fünf wurden an den Kunden weitergegeben, die eine dann mit „aller Wucht durchgesetzt“ und sehr schnell realisiert. „Wir waren ja in der eigentlich schlimmen Situation, eine Aufgabenstellung zu haben, die vergleichbar ist, mit dem was Langnese macht“, so Bock. „Nur wir hatten das Geld nicht. Langnese gibt zwischen vier und fünfhunderttausend Mark für so einen Kinofilm aus. Und macht dann immer wieder Remakes derselben Idee: junges fröhliches Publikum mit 'n paar Gags drin. Sehr eiskremig und zielgruppengerecht. Stinken sie da mal gegen an, nöch...“

Gut gestunken. Ein von Zeitgeistmags (Tempo, Wiener & Co.) und Popvideos inspirierte Werbewerk. „Meine Tochter, die ist 14, findet die Dinger jedenfalls unheimlich cool.“ Auch andere haben die Dinger beeindruckt. Es gab den Werbe -Oskar der 35. Internationalen Werbefilmfestspielen. „Die Filmproduktion hat durch den Löwen mehr im Rücken als die Agentur“, so Strauß. „Es gibt schon Kunden, die sich in ihrer Agenturwahl bestätigt fühlen. Und es gibt Nicht -Kunden, die ei

nem das gar nicht gönnen. Die sagen dann, daß man da mal sehe, wie weit Cannes runtergekom men ist. Jetzt kriegt da schon eine Bremer Agentur was ab. Wir sind schließlich die kleinen Muckser aus der Provinz. Wir haben 17 Mitarbeiter. Von den anderen Agenturen geht da keiner unter 200 raus.“ Herr Bock hat das gern. „Man ist da so ein bißchen enfant terrible. Das liegt mir. Das find ich gut.“

Ulrich Bock ist zum Filmeproduzieren gekommen „wie die Jungfrau zum Kind“. Auf einer Cocktailparty - „damals gab es so etwas noch“ - durch einen Produzenten. „Ich war unbeweibt, keine Familie, keine Verantwortung. Da hab ich gesagt, jetzt fängst Du noch mal ganz von vorn an. Film ist es.“ Am liebsten macht er Industriefilme, Werbespots nur etwa 5 bis 6 pro Jahr.

Trotz Mangel an einer ordentlichen Werbeszene, einer kreativen Hauptstadt, einem „Melting Pot of tollen Leuten“ kann Herr Bock die Branche durchaus weiterempfehlen. Zwei Praktikanten-und ein fester Ausbildungsplatz bei RWS werden allerdings ziemlich belagert.

Mit ideologisch verwerflichen Produkten kommt man da übrigens auch nicht in Kontakt. „Wir machen ganz schön und nett unsere Lebensmittel. Wir machen für Wein, für Eiskrem, Gewürze. Und für Holz. Das ist auch noch umweltfreundlich lackiert.“ Schöne heile Werbewelt. An der Schwachhauser Heerstraße ist sie am schönsten.

Petra Höfer