Ausländerarbeit hingeschmissen

■ Wolfgang Linder, acht Jahre im Sozialressort für Ausländerfragen zuständig, macht seiner Behörde schwere Vorwürfe / Mit „Billiglösungen“ wird die „Diskriminierung der Ausländer fortgeschrieben“

Acht Jahre hat er das Referat für „Angelegenheiten der Ausländer, ethnische Minderheiten, Zuwanderer/Aussiedler und Bürgerhäuser“ beim Senator für Soziales betreut, zum 1. Oktober hat er jetzt das Handtuch geschmissen. Damit dies nicht als persönliche Resignation zu den Akten gelegt werden kann, hat Wolfgang Linder seinen Vorgesetzten die Gründe benannt, die ihm die Arbeit, die er mit viel persönli

chem Einsatz betrieben hat, verleideten.

„Hauptschwierigkeit: In der Bürokratie mehr oder weniger Einzelkämpfer, wobei Planer und Sparkommissare nur nach hartnäckigem Drängen bzw. gar nicht dazu gebracht werden können, sich ernstlich mit den Inhalten der Aufgabenschwerpunkte auseinanderzusetzen; Kraftaufwand: enorm, verschleißend; Ergebnis: vorübergehende Erfolge, da

keine fachlichen Einwände, aber letztendlich setzt sich immer die anonyme Mainstream-Struktur durch.“

Gemeint ist damit die „Neuorganisation der sozialen Dienste“ (NOSD), in der besondere Probleme von AusländerInnen nicht vorgesehen sind. „Formalisierung“, „Regionalisierung“, „Re-Umstrukturierung“, ständiger Personenwechsel und unzurei

chende Kompetenzen sind die Steine, die sich dem Praktiker Linder immer wieder in den Weg legten. Z.B. ist - ganz nach der längst überholten Vorstellung von angeworbenen Arbeitskräften - der Arbeitssenator für die Bremer Ausländerpolitik zuständig. „Dieser verteidigt seine Zuständigkeit, nimmt sie aber nicht wahr“, kritisiert Linder.

„Die Zielgruppe Ausländer liegt quer zur NOSD-Struktur, die nur nach Altersgruppen unterscheidet“, bestätigt auch der Sprecher des Sozialsenators, Alfke. Allerdings sei Linders Amt „speziell auf seine Person zugeschnitten“ gewesen, die Aufgabentrennung zwischen Arbeits- und Sozialressort ansonsten jedoch sinnvoll. Deswegen erscheint es jetzt auch fraglich, ob Linders Posten überhaupt neu besetzt wird.

„Das ist ein unheimlicher Schlag für die Ausländerarbeit in Bremen“, kommentierte die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Elke Steinhöfel Linders Rückzug. Sie kannte ihn bereits als stellvertretende Leiterin des Sozialamts. Harte Kritik hat Steinhöfel auch an Linders Chef, dem Senator und Nicaragua -Fan Scherf: „Die Leute, die oben sitzen, glänzen in Internationalis

mus, aber nicht mit guter Basisarbeit vor Ort.“

„Neuerdings soll sogar der Dachverband der Ausländerkulturvereine (DAB) den Lückenbüßer spielen“, schreibt Linder und meint damit die Übertragung von staatlichen Beratungsaufgaben und Hilfen an den mit ABM -Stellen arbeitenden Verein. „Improvisierte Billiglösungen scheinen gefragt zu sein“, schließt Linder. Gregorios Panayotidis, der Vorsitzende des DAB, wollte sich gestern zu der Frage, ob sein Verein tatsächlich der Behörde billig Arbeit abnimmt, nicht äußern: „Das muß erstmal im Vorstand abgesprochen werden.“

Für Elke Steinhöfel ist Linders Behördenkritik Anlaß, eine alte Forderung zu erneuern: „Eine Ausländerbeauftragte ist jetzt nötiger denn je.“ Informell hatte Wolfgang Linder diese Funktion - zumindest aus Sicht vieler AusländerInnen übernommen. Sein Resümee nach acht Jahren Behörden-Arbeit: „Die Diskriminierung der Ausländer im sozialen Bereich wird fortgeschrieben zu einem Zeitpunkt, zu dem zum ersten Mal das Wahlrecht für Ausländer in bescheidenem Rahmen Realisierungschancen zu haben scheint.“

Dirk Asendorpf