Illegal arbeiten fürs Glück in Polen

■ „Nicht hier, sondern in Polen muß ich jeden Tag für mein Leben kämpfen“ / Um der Tristesse in ihrer Heimat zu entgehen, kommen viele Polinnen nach Berlin / Über die Situation der in Berlin schwarz arbeitenden polnischen Putzfrauen

Illegale Polinnen in einer Villa in Dahlem...? Der Weg führt immerhin nicht durch den Vorgarten zur repräsentativen Eingangstür, sondern an der Seitenfassade entlang zum Hintereingang. Es geht zwei Treppen hoch bis direkt unter das Dach. Dort befinden sich viele kleine, geschmacklos möblierte Zimmer. Die ursprünglich weißen Tapeten sind grau. Sechs junge Polinnen wohnen hier illegal.

„Das Zimmer kostet monatlich 500 Mark“, sagt Magda, „das geht noch.“ Andere Hauseigentümer schlügen mit viel schlimmeren Löchern noch mehr Geld aus all den Polen heraus, die derzeit als Touristen getarnt nach Berlin reisen, um hier etwa auf dem Bau zu arbeiten und möglichst mehr Geld als in dem krisengebeutelten Polen zu verdienen.

Magda ist 25 Jahre alt und spricht erstaunlich gut Deutsch. „Das habe ich auf dem Gymnasium gelernt.“ In West-Berlin will sie sechs Monate lang als Putzfrau arbeiten. Danach geht sie nach Warschau zurück. Den Besitzer der Villa kennt sie durch eine polnische Bekannte, die eine Zeitlang ebenfalls schwarz in Berlin gearbeitet hat. Der Mann ist nach dem Zweiten Weltkrieg aus Polen ausgewandert und lebt und arbeitet seither in Berlin.

Magda ist verheiratet und hat zu Hause eine sechsjährige Tochter. In Warschau war sie Sekretärin. „Ich verdiente sehr wenig Geld, 30.000 Zloty, das sind nach dem Schwarzkurs 30 Mark. Davon kann man sich nichts kaufen. Oft arbeitete ich doppelte Schichten, um mehr zu verdienen. Aber irgendwann muß man doch auch schlafen.“

Magda und ihr Mann haben in Warschau keine eigene Wohnung. Sie leben in einer Zwei-Zimmer-Wohnung zusammen mit Magdas Eltern, ihrem Bruder und der Tochter. „Seit sieben Jahren warte ich schon auf die eigene Wohnung. Bis ich die bekomme, werden noch Jahre vergehen.“ Jetzt sucht sie über Anzeigen eine privat vermietete Wohnung. „Die kostet aber sehr viel mehr Miete.“ Deshalb hat ihre Familie sie nach Berlin geschickt. Von dem hier verdienten Geld will sie in Warschau die Wohnung finanzieren.

Dafür muß sie künftig einmal im Jahr einige Monate in Berlin arbeiten. Um jedoch einen Paß und ein Visum für ein westliches Land zu bekommen, braucht man in Polen eine offizielle Einladung. Es gibt Leute in Deutschland, die ein Geschäft mit den Einladungen betreiben. Sie wollen im voraus bis zu 150 Mark dafür haben, eine für polnische Verhältnisse Irrsinnssumme.

Aber Magda hat Glück. Ihre Freundin Krysia lebt hier schon seit zwei Jahren legal. Sie kam als Asylbewerberin, wird von der Innenverwaltung „geduldet“ und arbeitet als Krankenschwester. Krysia wird Magda künftig einladen.

Durch Putzen verdient Magda monatlich 1.200 Mark. Am Ende des halben Jahres bleiben „ohne Geschenke“ noch 1.000 Mark übrig. „Für Polen ist das schon ein kleines Vermögen.“ Außerdem kauft Magda hier Stoffe, aus denen sie Kleider näht, die sie später in Warschau verkaufen will.

Angst habe sie kaum. Überhaupt gibt sich Magda, was ihre Situation in Berlin betrifft, zufrieden. „Hier verdiene ich Geld, kann ein eigenes Zimmer bezahlen und mir trotzdem kaufen, was ich will.“ Die Leute, bei denen sie putzen geht, seien „sehr nett“. Viele sind schon älter und „dankbar“, weil sie für nur 10 Mark pro Stunde arbeitet. „In Polen sind die Leute müde und unfreundlich, vor allem die Frauen.“ Sie arbeiten, machen gleichzeitig den Haushalt und stehen abends noch stundenlang in der Schlange vor den Geschäften. Im Vergleich zum Alltag in Polen sei das illegale Leben in Berlin ein Klacks. „Wenn ich meiner Tochter zum Beispiel Bananen kaufen will, weil Kinder Obst und Vitamine brauchen, muß ich in Polen für ein Kilo drei Tage arbeiten. Hier kann ich von einem Stundenlohn drei Kilo Bananen kaufen. Nicht hier, sondern in Polen muß ich jeden Tag für mein Leben kämpfen.“

Elisa Klapheck