Etwas Nützliches tun

■ In Berlin ist seit Freitag eine Klang- und Bildinstallation von Brian Eno zu sehen. Gunter Göckenjan hat sich mit ihm unterhalten

Brian Eno ist mehr als der Name eines Musikers und Videokünstlers. Brian Eno ist ein Markenzeichen, das in den letzten 16 Jahren immer wieder auftauchte, wenn sich in der Welt der Rockmusik etwas bewegte. Als Produzent und Musiker arbeitete er zusammen mit den Talking Heads, David Bowie, Genesis, Devo und zuletzt U2. Sein Instrument ist das Aufnahmestudio, und hier hat er nicht nur über 20 LPs anderer Künstler produziert, sondern auch eine Reihe eigener Platten geschaffen. Background-Musik für Filme, die im Kopf des Zuhörers ablaufen können, Klanglandschaften und -Collagen. Seit der Gründung von Roxy Musik, die er bald wieder verließ, ist er einer der wichtigsten Sounderfinder und Anreger für anspruchsvollere Popmusik. Er überschreitet immer wieder die Grenzen der populären Musik und dehnt damit den Handlungsraum seiner Nachfolger und -ahmer aus.

Von Kate Bush hört man, sie habe sich von Brian Eno beeinflussen lassen; und wer Ofra Haza mag, sollte sich unbedingt „My Life in the Bush of Ghosts“ anhören (besonders „Regiment“ und „The Carrier“). Hier, 1981, hat es Eno mit David Byrne zusammen vorgemacht. Besser! Neue Räume erschließt Eno auch mit seinen Videoinstallationen. Hier ist es das Gebiet zwischen Film und Malerei, das seine Eroberungslust reizt. Das Ergebnis sind Gemälde aus Licht, das sich ganz langsam verändert. Lichtquelle sind Monitore, über die die Farben computergefertigter Videobänder flimmern. Die verschiedenen Musik- und Videobänder laufen asynchron zueinander. Die Gesamtwirkung wird dadurch, obwohl jeder Teil sich wiederholt, in jedem Augenblick eine andere sein. Ab 6.8. kann man auch in Berlin eine Installation von Brian Eno erleben. Bisher war das den größeren Städten wie New York, London oder Amsterdam vorbehalten, oder den größeren Ereignissen wie der Biennale in Venedig:

taz: Vor zwei Jahren warst du auf der Biennale in Venedig.

Brian Eno: Ein schlechter Ort für mich, es war zu laut. Wenn Leute mal hier, mal da schauen, gibt das keine gute Atmosphäre. Ich werde nie wieder auf einer dieser Kunstmessen ausstellen. Ich möchte nicht, daß man meine Arbeit als Teil der Kunstwelt versteht.

Hast du nicht vorwiegend in Galerien und Museen ausgestellt?

Nein. Nur weniger als die Hälfte meiner Ausstellungen fanden in so einer Umgebung statt. Ich habe in Kirchen, Warenhäusern oder Fabriketagen ausgestellt. Meine letzte Ausstellung habe ich in San Francisco in einem wissenschaftlichen Museum gemacht.

Was gefällt dir an dieser Umgebung?

Ich mag die Einstellung, die die Leute haben, wenn sie in ein solches Museum gehen. Sie schauen die Dinge an und wollen, daß etwas passiert.

Was ist da bei der Kunstszene anders?

Dort geht man vorwiegend hin, um sich selbst zu bestätigen und um sich seiner eigenen Position zu erfreuen. Das Spiel heißt, zum richtigen Club zu gehören. Dagegen bringt es keinen Prestigegewinn, wenn man in ein Wissenschaftsmuseum geht. Deshalb mag ich die Stimmung dort.

Aber die Kunstwelt kommt doch trotzdem.

Ja, aber ich möchte sie in eine fremde Umgebung holen. Ein bißchen ist meine Installation auch wie eine wissenschaftliche Ausstellung, weil ich sage: Seht euch an, was man mit einem Fernseher auch noch machen kann!

Wenn du jemand, der nicht mal deinen Namen kennt, erklären müßtest, was für eine Arbeit du machst, was würdest du ihm sagen?

Ich treffe oft Leute, die mich nicht kennen und ich weiß nie wie ich meine Arbeit erklären soll. So 'ne Art Künstler, sage ich oft. Aber das nützt nichts. Die fragen dann: was, eine Maler? Und ich: mmh, nicht wirklich Maler. Öfter sage sich so was pathetisches wie : ich arbeite mit Licht und Klang. Typische Reaktion: oh, wie Pink Floyd? Es ist ziemlich schwierig, das genau zu erklären, deshalb ist meine Antwort meist: ich bin Buchhalter.

Wenn du deine Arbeiten Ambient Music oder Wallpaper Videos nennst, willst du sie damit runterspielen, auch hier, um weitere Fragen zu vermeiden?

Nein, ich möchte den Leuten damit sagen, daß es andere Möglichkeiten gibt, zu hören und zu sehen. Es muß nicht klassisch sein, mit dem seriösen Ausdruck im Gesicht und in der Pose des Denkers. Es muß auch nicht nur der Müll aus dem Radio sein, mit dem man den Raum füllt. Seit die Schallplatte erfunden wurde, wird Musik auf eine andere Art benutzt als vorher. Jeder geht heute mit Musik um. Diese Tatsachen haben die Komponisten allerdings noch nicht akzeptiert. Die „Ernsthaften“ schreiben immer noch, als würden wir den ganzen Tag in Denkerpose verharren. Die Popmusiker tun so, als würden wir den ganzen Tag tanzen. Dazwischen gibt es eine Art ökologische Nische. Die hohe Kunst kotzt mich ziemlich an. Diese Kassel-Dokumenta-Art von Ernsthaftigkeit geht mir auf die Nerven. Diese typische Attitüde: was wir machen, du könntest das nicht, wir sind die Auserwählten und Begabten ... Ich hasse diese Arroganz, sie müssen diese Einstellung aber aufrechterhalten, um 80.0000 DM für ein winzig kleines Ding zu bekommen. Ich hasse diese Welt, aber ich mag auch die große Welt des Michael Jackson Pop nicht besonders.

Warum?

Es ist dieselbe Industrie, ein geschlossener Kreis. Dazwischen existiert ein großer freier Raum. Weißt du warum? Die schönen Künste werden von einem ganz kleinen Kreis von Leuten gekauft, deshalb ist es wichtig, daß die Mythologie hochgehalten wird. Der Künstler kann nicht sagen: ich hatte grade Lust, das zu machen, keine Ahnung, ob es wichtig ist, oder was es bedeutet ... und dann: du mußt mir 100.000 dafür bezahlen. Bei dem Preis braucht man den Eindruck von Genie. Die schönen Künste können nur bis zu einem gewissen Grad popularisiert werden, sonst verlieren sie die Käufer. Bei der populären Kunst ist das ähnlich, das Niveau kann über einen bestimmten Anspruch nicht gehoben werden, andernfalls geht der Markt verloren. Die Platte muß ins Radio, sonst wird sie nicht verkauft. Das meiste, was ich interessant finde, liegt in dem Niemandsland, das weder von dem einen noch von dem anderen Markt beeinflußt ist.

Nochmal zu Ambient Music und Wallpaper Videos, diese Begriffe legen doch eine ziemliche Nähe zu Inneneinrichtung und dekorativer Kunst nahe.

Es stört mich nicht, in der Nähe dekorativer Kunst zu stehen. Kandinsky hat bis zu seinem 36.Lebensjahr nichts anderes gemacht: Jugendstil, Poster und Illustrationen für Kinderbücher. Wenn man sich die Arbeiten ansieht ... sie sind phantastisch. Es ist so klar, warum er das machen mußte und wie sie mit seinen späteren Arbeiten in Beziehung stehen. Auch eine eindeutige Unterscheidung fehlt, kein Punkt, an dem man sagen kann: jetzt ist es keine dekorative Kunst mehr. Einer der Fehler der Kunstwelt ist es auch, zu sagen: wenn etwas dekorativ ist, kann es nicht mehr ernsthaft sein.

Ich habe die Einordnung deiner eigenen Werke als Background immer als Trick verstanden ...

Es ist ein Trick dabei. Ich glaube, der Trick ist der, daß diese Begriffe eine eigene Erwartungshaltung hervorrufen. Was man von Durchschnittsmenschen in Galerien am häufigsten hört, ist der Satz: was bedeutet das? Ich möchte meine Show visuell so attraktiv gestalten, daß niemand sich um diese Frage kümmert. Wenn du ein Feuerwerk siehst, fragst du ja auch nicht, was bedeutet das. Man erwartet nicht, daß es etwas bedeudet. Ich möchte verhindern, daß die Leute ihre Zeit mit dieser Frage verschwenden, sie sollen stattdessen lieber eine Erfahrung machen.

Erfahrung machen, das klingt bei dir oft nach Therapie.

Es ist seltsam, wie meine Arbeiten die Leute beeinflussen. Ich glaube, der Grund ist, daß sie nicht wissen, wohin die Erfahrung gehört. Es ist nicht Kino, nicht Video und nicht Konzert. Es fällt nicht in die bekannten Kategorien. Also gibt es auch kein Standardverhalten. Egal ob in einer Kunstgalerie oder im Kino, jeder weiß, wie er sich verhalten muß, man weicht nicht davon ab. Für jedes der bekannten Medien existiert eine bestimmte Art und Weise des Sehens und Hörens. Der Akt der Wahrnehmung interessiert mich. Bei mir erleben die Leute einen neuen Rezeptionsakt. Kommentare, die ich häufig in den Besucherbüchern finde, sagen, es sollte in jeder Stadt einen Ort wie diesen geben, oder, ich habe seit Jahren nicht mehr so lange ruhig gesessen. In der Welt der Kunst machen solche Bemerkungen absolut keinen Eindruck.

Deine Persönlichkeit erscheint überhaupt nicht in deinen Arbeiten.

Ich glaube nicht, daß ich wichtig darin bin. Ich bin nicht so interessant. Die Idee, daß da 200 Leute sitzen und über mich nachdenken, ist furchtbar. Ich mache diese Dinge in erster Linie für mich, und wenn ich sie anschaue, finde ich die Welt fantastisch.

Aber es ist eine Welt, die du selbst erschaffen hast.

Was ich da sehe, läßt mich an anderes denken. Wenn ich den kleinen Ort anschaue, den ich gemacht habe, denke ich, ja, das kommt direkt aus dem 15.Jahrhundert und das kommt von Mondrian usw. Für mich ist das eine Art Enzyklopädie. Wenn ich sie gemacht habe, schaue ich sie an und lerne sie kennen.

Warum machst du keine Rockmusik mehr?

Weil es dort kaum mehr möglich ist, etwas überraschendes zu tun. Das Gebiet ist heute zu eindeutig definiert. Als ich mit Rockmusik begonnen habe, wußte man nicht genau, wo die Begrenzungen waren. Im Zentrum waren die Beatles und ähnliches, aber an den Rändern gab es eine Menge Musiker, die schwer einzuordnen waren. Zum Beispiel die Velvet Underground, auch die frühen Pink Floyd, David Bowie und natürlich Roxy Music. Das sah so aus, als könnte es sich in etwas anderes verwandeln. Was mich angeht, hat die Rockmusik ihren Job getan, ich habe mich gewandelt. Aber ich würde mich immer noch sehr freuen, wenn ich dieses Publikum erreichen könnte. Ich mag das Rockpublikum, wie ich die Besucher von einem Wissenschaftsmuseum liebe. Die sagen: ok, nun zeig mal. Versteh ich nicht, also bin ich dumm, wäre da nicht denkbar. Wenn sie etwas nicht verstehen, ist es für sie eben Müll. Diese Leute sind ein besseres Publikum, weil sie keine Angst haben vor dem Werk.

Ein Freund von mir legt immer eine Platte von dir auf, wenn er schlafen gehen will, er schläft dann schneller ein. Empfindest du das als Beleidigung?

Nein, absolut nicht. Das finde ich fantastisch. Es gibt mir das Gefühl, etwas Nützliches zu tun. Ich freue mich, wenn meine Arbeit etwas im Leben der Leute bewirkt.

Enos Berliner Installation heißt: „Relies, Charms and Living Rooms from the Recent Past Found Hidden among Strange Trees.“ Sie ist zu sehen in den Gewerberäumen, Erdgeschoß, I.Hinterhof, Windtscheidstr.18, 1000 Berlin 12.