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Klinkenputzer: Weiße Haie gegen schwarze Schafe

Haustürverkäufer umgehen Widerrufsgesetz / Branche im Aufwind / Auch die Deutsche Bank steigt in Lebensversicherungsgeschäfte an der Haustür ein  ■  Von Konrad Götz

„Direktvertrieb“ nennt sich jener Handelszweig, der seine Waren an der Haustür des Kunden oder in dessen Wohnstube feilbietet. Haustürverkäufer haben einen schlechten Ruf. Allzuoft haben sie das Kontaktbedürfnis und die ungeschützte Situation alleinlebender Menschen - und da fallen wahrhaftig nicht nur die lieben Alten rein - ausgenützt, um schnelle Geschäfte zu machen. Als jedoch vor zwei Jahren das Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften in Kraft trat, schien das Problem gelöst. Überrumpelte Konsumenten haben jetzt eine Woche Zeit, den Vertrag rückgängig zu machen.

Doch in der Zwischenzeit haben sich einige Firmen darauf spezialisiert, dieses Gesetz zu umgehen und den Verbraucher neuerlich aufs Kreuz zu legen. Die schlimmsten Fälle schildert der Berliner Verbraucherschutzverband e.V. in seinem neuesten Tätigkeitsbericht.

So haben sich beispielsweise die Hausjuristen der Firma Wahl in Schwalm einen ganz miesen Trick ausgedacht. Dieser westfälische Bettdeckenfabrikant macht einen Teil seiner Umsätze auf Kaffeefahrten. Das sind gesellige Unternehmungen per Omnibus, die meist ein „kostenloses“ Getränk, kleine Vorführungen, manchmal sogar eine Party enthalten. Am Ende dieser Ausflüge werden Rheumadecken mit Wunderwirkung und 48teilige Kochgarnituren verhökert. Weil aber das Widerrufgesetz ganz explizit auch für diese Geschäfte gilt, verlegt nun der Wolldeckenhersteller Wahl seine Kaffeefahrten ins Ausland. Über spanische Strohfirmen werden deutsche Urlauber aufgespürt und auf den Ausflügen zur Unterschrift gebracht. Die Verkaufsformulare enthalten eine Klausel, deren Bedeutung leicht übersehen wird: „Für diesen Vertrag gilt spanisches Recht.“ Wer sich zu Hause wundert, daß er sich in flimmernder Urlaubshitze eine Schafwolldecke hat andrehen lassen, kann nicht mehr zurück. Der Verbraucherschutzverein (VSV) versucht gerade, die Firma Wahl per Gerichtsbeschluß zu stoppen.

Von einer anderen Form der Rechtsbeugung durch Direktverkäufer ist im jüngsten Tätigkeitsbericht des VSV die Rede: Es handelt sich um die Kachelofen- und Kaminhersteller Wilhelm Bottermann in Hamburg und die Hark GmbH in Duisburg. Fast jeder kennt die Werbung dieser Firmen, weil sie zusammen mit der Telefonrechnung verschickt wird. Der Trick, den nun die beiden Firmen anwenden, beruht auf einer Ausnahmeklausel im Haustürwiderrufgesetz: Wer nämlich einen Vertreter von sich aus ins Haus bestellt und somit von dem Besuch nicht überrascht wird, besitzt kein Recht zur Annulierung des Vertrags. Die beiden Ofenbauer haben ein patentes Vorgehen ausbaldowert: Fordert ein interessierter Konsument bei den Firmen Prospektmaterial an, so kommt statt dessen ein Anruf des Vertreters („Ich bin zufällig gerade in Ihrer Nähe.“) Dann läßt er sich zu einem Informationsgespräch einladen und schließt - wenn möglich einen Vertrag ab. Wenn sich nun der Käufer besinnt und sein Rücktrittsrecht zur Geltung bringen will, so behauptet die Firma, dies sei ein bestellter Vertreterbesuch gewesen, für den das Gesetz nicht gelte. Der Verbraucherschutzverein hat dagegen geklagt - diesmal mit Erfolg.

Dies hinderte die Berliner Heiratsvermittlungsfirma „Visuelle Individuelle Partnerschaft GmbH“ nicht daran, einsame Singles nach der gleichen Methode über den Tisch zu ziehen. Der VIP GmbH wurde vom Landgericht Berlin allerdings inzwischen ihre lukrativen Geschäftsmethoden verboten.

Bei solchem Geschäftsgebahren „einiger schwarzer Schafe“ verwundert es nicht, daß die Branche sich um ihren Ruf sorgt. Schon 1967 haben sich die seriöseren Wohnzimmerverkäufer wie Bertelsmann, Avon, Vorwerk und 14 andere in einem Verband zur Imagepflege zusammengetan. Er nennt sich „Arbeitskreis - gut beraten - zu Hause verkauft“. Durch freiwillige Selbstkontrolle und eine Satzung mit verbraucherfreundlichen Verhaltensstandards wollen sich die Mitglieder des Münchener „Arbeitskreises“ von den unlauteren Methoden der Konkurrenz absetzen. Wie es scheint, mit Erfolg. Nur 23 Kundenbeschwerden mußten 1987 einer Kontrollkommission, die das Verhalten der Vertreter überwacht, vorgelegt werden. Der Umsatz dieser 17 Direktvertriebsfirmen betrug im gleichen Jahr 2,2Milliarden Mark. Das ist ein Zuwachs von elf Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Wie stark allerdings die gesamte Haustürbranche ist, weiß niemand so recht, da sich nur eine Minderheit in den Verbänden organisiert. Wolfgang Bohle, Geschäftsführer des Arbeitskreises „Direktverkauf“: „Das ist ja auch eine Definitionsfrage - schließlich arbeitet die gesamte Versicherungsbranche per Haustürverkauf und inzwischen werden sogar dreißig Prozent aller Kraftfahrzeuge im Wohnzimmer verkauft.“

Geschätzt wird das Gesamtumsatzvolumen der Branche auf 50 bis 150 Milliarden Mark. Allein auf Kaffeefahrten wurden 300 Millionen verdient. 200.000 meist nebenberufliche Außendienstler arbeiten für die 17 Mitgliedsfirmen des „Arbeitskreises“, zwei Drittel davon sind Frauen. Ein Forschungsprojekt der Bochumer Uni soll jetzt die genauen Zahlen herausfinden. Eines ist aber jetzt schon klar. Die unsauberen Methoden der Branche werden immer dann praktiziert, wenn es um die Eroberung neuer Kunden geht. 77 Prozent der Direktverkäufe sind jedoch eingespielte Stammkundengeschäfte. Dennoch liegen die Nachteile des Fußmattengeschäftes auf der Hand: Preisvergleiche sind nicht möglich und Menschen mit geringer Widerstandskraft - und wer wird angesichts der Herrlichkeiten der Warenwelt nicht mal schwach - sind der Redegewalt des Vertreters ausgeliefert.

Die Außendienstler werden schon im nächsten Jahr prominente Verstärkung aus der Assekuranz bekommen. Denn auch die Deutsche Bank beginnt nun mit dem Klinkenputzen. Geplant ist die Gründung einer Lebensversicherungsgesellschaft. Vorstandsmitglied van Hoofen: „Der Banktresen wird in Zukunft nicht mehr die letzte Barriere gegen den Kunden sein.“ Dieser Kunde muß auf der Hut sein. Das Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften gilt für die gesamte Versicherungsbranche nicht. Dafür haben die Policenvertreiber vor zwei Jahren mit ihrer Lobby in Bonn gesorgt.

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