Krebserreger machen Bäume krank

■ Chlorkohlenwasserstoffe sind für das Waldsterben mitverantwortlich / Erklärung für Baumschäden in industriefernen Gebieten / Untersuchung des Toxikologischen Instituts Tübingen im Schwarzwald

Tübingen/Berlin (dpa/taz) - Chlorkohlenwasserstoffe, die krebserregende Verbindung aus Kohlenstoff und Wasserstoff, sind nun auch als eine Verursacherquelle für das Waldsterben ausgemacht worden.

Das Toxikologische Institut der Universität Tübingen hat nach mehrjährigen Untersuchungen herausgefunden, daß Abbauprodukte der Chlorkohlenwasserstoffe zu ähnlichen Krankheitssymptomen an Bäumen führen wie bei klassischen Schäden durch Schwefel- oder Stickoxide. Die Nadeln werden zunächst trocken und fallen von den Ästen, schließlich stirbt der ganze Baum ab. Die Tübinger Wissenschaftler haben damit eine Erklärung geliefert für bisher rätselhafte Baumschäden, die in industriefernen Gebieten mit angeblich reiner Luft aufgetreten sind.

Zwei Drittel der Chlorkohlenwasserstoffe, die als Löse- und Entfettungsmittel in der metallverarbeitenden Industrie und im Textiereinigungsgewerbe in großen Mengen verwendet werden, gelangen nach Angaben der Tübinger Toxikologen als Verdampfungsprodukte in die Atmosphäre. Durch atmosphärische oder biologische Oxidationsprozesse wird die aggressive und für Pflanzen giftige Trichloressigsäure (TCA) gebildet. TCA ist einer der Basisstoffe für Herbizide (Pflanzenvernichtungsmittel).

Die Tübinger Toxikologen um Dr. Frank hatten erste Vermutungen über einen möglichen Einfluß von Chlorkohlenwasserstoffen auf das Waldsterben 1984 geäußert. Seit 1986 arbeiten sie experimentell an ausgewählten und stark betroffenen Standorten des Schwarzwaldes.

Bei ihren Forschungen fanden sie TCA in Konzentrationen bis zu einigen hundert Mikrogramm (Millionstel-Gramm) pro Kilogramm im Waldboden. TCA wurde von ihnen ebenfalls in Fichtennadeln nachgewiesen. Je älter die Fichtennadeln waren, desto höher war die Konzentration von TCA - bis zu 0,2 Milligramm pro Kilogramm. Nach Angaben der Wissenschaftler bedeute dies, daß die Nadeln das giftige TCA „deponieren“. Aufgenommen werde das Herbizid entweder über die Wurzeln aus dem Grundwasser oder auch über die Luft.

ger