Generalstreik in Birma

■ Zehntausende befolgten den Streikaufruf trotz Kriegsrecht und Versammlungsverbot / Unter den Demonstranten auch zahlreiche Mönche

Rangun (apf/ap/taz) - Trotz des Kriegsrechts und des Verbots aller Kundgebungen haben gestern in der birmanischen Hauptstadt Rangun Zehntausende gegen die Regierung des neuen Präsidenten Sein Lwin demonstriert. Die Jugendlichen und Studenten riefen die Bevölkerung zur Einhaltung des für diesen Tag ausgerufenen Generalstreiks auf. Eine von mehreren Menschengruppen habe sich auch in Richtung auf den Amtssitz des Ministerpräsidenten bewegt, teilten Augenzeugen mit. Die Demonstranten seien von zahlreichen Schaulustigen aus den umliegenden Gebäuden durch Zurufe ermuntert worden. Mindestens 30 buddhistische Mönche und hunderte - teilweise vermummte - Schüler seien mitmaschiert. Stark bewaffnete Einheiten der Armee beobachteten die Aufmärsche, griffen jedoch nicht ein.

Beobachter zeigten sich nicht verwundert, daß der Aufruf zum Streik nur geringe Beachtung fand. Die meisten Geschäfte waren ganz oder nur zeitweilig geöffnet, nur wenige Arbeiter Fortsetzung auf Seite 6

FORTSETZUNG VON SEITE 1

blieben zu Hause. Der auch unter dem Namen „der Schlächter“ bekannte Ex-General Sein Lwin hatte in den letzten Tagen bewiesen, daß er seinen berüchtigten Methoden der Aufstandsbekämpfung auch als Staatschef treu bleibt. Seit Freitag fanden sieben Demonstranten durch Schüsse der Polizei den Tod. Dennoch legte es das Militär diesmal offensichtlich nicht auf Konfrontation an. Am gestrigen Abend riefen Soldaten über Lautsprecher, man habe trotz des Kriegsrechts den Protestierenden die Möglichkeit gegeben, ihre Forderung zu artikulieren, sie sollten den Aufzug nun beenden. Bereits am Vorabend des Generalsrteiks, der von Beobachtern als entscheidend für die Zukunft der neuen Regierung eingeschätzt wurde, gab sich das Lwin-Regime versöhnlich, auch wenn in der letzten Woche 149 Personen festgenommen wurden. Am Samstag berichtete Radio Rangun, Genossenschaften hätten den Auftrag erhalten, Reis, Speiseöl, Salz und Fisch zu Sonderpreisen abzugeben, damit die von steigenden Lebensmittelpreisen Betroffenen entlastet würden. Hamsterkäufe hatten zu einem Anstieg der Lebensmittelpreise geführt. Den Streikenden in der Hauptstadt schlossen sich auch die Hafenarbeiter sowie Beschäftigte der umliegenden Jutefabriken an. Am Sonntag sollen auch in der 600 Kilometer nördlich gelegenen früheren Hauptstadt Mandalay zwei Demonstrationen stattgefunden haben, an denen neben mehreren hundert Zivilisten sogar 1.000 Buddhisten-Mönche teilnahmen.