Ungebremste Sammelleidenschaft

■ 4. und 5. Mitglied im CultureClub: Brigitte und Udo Seinsoth gehört seit 8 Jahren die „Galerie am Steinernen Kreuz“ mit Nachwuchs-Bildern und Buchantiquariat und einem Stockwerk für den Nachwuchs

Literatur und Bildende Kunst - für Brigitte und Udo Seinsoth ist das eine ohne das andere kaum denkbar, ebensowenig ein Alltag ohne sie. Jahrelang füllten in ungebremster Sammelleidenschaft Regale und Schublade mit Büchern und Bildern bis zum Überquellen. Da staute sich mehr als genug, um aus dem privaten auch den beruflichen Dreh-und Angelpunkt zu machen: Vor acht Jahren eröffnete das Ehepaar, bis dahin Apothekerin und Diplom-Volkswirt/Handelsschullehrer, das „Antiquariat und Galerie Beim Steinernden Kreuz“.

In puncto Literatur gab es schon immer eine klare Vorliebe, auf die sich das Angebot des Antiquariats entsprechend konzentriert: Kunst und Literatur des 20. Jahrhunderts mit Schwerpunkten auf Konkreter Poesie, 60er Jahre-Literatur, Sozialistik, Arbeiterliteratur und Erstausgaben. In der Malerei dagegen wollen sich beide außer auf den vagen Hinweis „junge, engagierte Kunst“ nicht näher festlegen, sondern „offen bleiben für neue Bildsprachen“. Bei ihren Streifzügen

durch Ateliers und Ausstellungen entscheidet als Hauptkriterium: „Die Sachen müssen uns packen!“ Ist das der Fall, wird meist auch eingepackt, sprich gekauft. Nicht nur ein, zwei Blätter, nein viele müssen es dann sein, bricht sich doch dann neben dem Enthusiasten die „Gier des Sammlers“ Bahn. Während Brigitte Seinsoth die Sammelwut ihres Mannes „leicht nervt“, rechnet er vor: „Fünfzig Blätter sind ein Anfang, hundert schon ganz nett, zweihundert ein Werk“.

Weil aber die Kunst ihren Preis hat, läßt sich die Liebe zu ihr am besten in den Ateliers der Anfänger, der (noch) nicht Etablierten befriedigen. Dort ist es nicht nur billiger, dort kommt auch die Entdeckerlust der Galeristen auf ihre Kosten.

Immer auf der Suche nach „Talenten“, wollen sie auch dabeisein und beobachten, wie sich das Werk eines Künstlers, einer Künstlerin entwickelt. Dabei leisten sie, wenn möglich, Hilfestellung nicht nur durch eigene Ankäufe und Ausstellungen, sondern durch Vermittlung an Sammler, Galeristen, Museen und Ausstellungsmacher. Seinsoth behauptet sogar: „Ein Künstler kann nicht besser aufgehoben sein“.

Nach rund vierzig Ausstellungen nennen die Galeristen vier weitere „ihrer“ Künstler, die es geschafft haben, wenigstens national: Norbert Schwontkowski, Jürgen Rosteck, Hartmut Neumann und Thomas Hartmann. Keine Frau dabei. Auch im Gesamtprogramm gibt ees nur ganz wenige, darunter Eun Nim Ro. Das entspricht der allgemeinen Unterrepräsentanz von Künstlerinnen, aber eine Erklärung haben die Galeristen dafür nicht. Für sie ist Kunst unabhängig vom Geschlecht, aber eines konstatiert

Udo Seinsoth: „Frauen sind weniger präsent“. Nicht nur im Ausstellungsbetrieb, grundsätzlich seien sie zurückhaltender. Er glaubt, mehr Selbstbewußtsein und auch eine Portion Geschäftssinn bringe den Künstlerinnen mehr Ausstellungen.

Bei allem guten Willen und bewiesenem Einsatz für den Nachwuchs: Neue Zeiten brechen auch in der Galerie Beim Steinernen Kreuz an, in denen das Geld schließlich doch die entscheidende Rolle spielt. Vor einigen Monaten wurden die Galerieräume, vorher mit dem Antiquariat verbunden, auf den ersten Stock ausgedehnt. Neue Räume bedeuten höhere Kosten, und die kommen bei den relativ niedrigen Preisen der jungen KünstlerInnen nicht rein.

Also sollen künftig vermehrt bekannte Namen, sprich teuere Bilder („Siebentausend Mark ist eine akzeptierte Grenze“) ausgestellt werden. Gleichzeitig bietet das Gelegenheit, interessante

Künstler zu zeigen, denen man die früheren kleinen Räume nicht zumuten wollte. Also doch auf dem Weg zur Elite -Galerie? Seinsoths schließen das aus, die Nachwuchsförderung bleibt weiterhin ihr Prinzip.

Eine vertragliche Bindung gibt es übrigens nicht zwischen Galerie und Künstler, nur die weithin üblichen 50 Prozent beim Bildverkauf werden kassiert.

Langfristig streben die Galeristen die Teilnahme an Kunstmessen an, ergeben sich dort doch die entscheidenden Kontakte. Ein erster Versuch wird im Oktober auf der Nordschau in Groningen gemacht.

Daß sich Bremen an der Peripherie des Kunstgeschehens, vor allem des Kunstmarktes bewegt, sehen Brigitte und Udo Seinsoth gelassen. Sie wissen um das „totale Understatement“ dieser Stadt, in der „nur akzeptiert wird, wer durchhält“.

Sie haben durchgehalten und fühlen sich sicher, weil sie nicht

nur durch Ausstellungen, sondern auch durch exklusive Lesungen mit Schriftstellern wie Helmut Heißenbüttel, Gerhard Rühm, Oskar Pastior und Franz Mon zum Anlaufpunkt für einen gar nicht so kleinen Kreis Interessierter geworden sind.

Während Seinsoths die Zurückhaltung hiesiger Museen gegenüber junger Kunst vehement kritisieren, halten sie eine Unterstützung der Galerien durch die Stadt, wie in Hamburg und Berlin durchaus üblich, für überflüssig. Allerdings: „Ein Werbetopf wäre gut“. Schließlich bedeute Werbung für die Galerien auch Städtewerbung, und nach ihrer Meinung müssen die Bremer Galerien den Vergleich mit den Kunst -Metropolen nicht scheuen.

Die nächsten Ausstellungen in der Galerie Beim Steinernen Kreuz beginnen im „Kunstfrühling“: Dieter Schmal vom 23.9 bis 15.10, Irmgard Dahms vom 21.10 bis 12.11.

Beate Naß