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Die genossenschaftliche Idee bleibt auf der Strecke

Geplante Fusion der DG Bank mit regionalen Zentralen führt zu konzernartigem Gebilde / Europäischer Binnenmarkt versetzt genossenschaftlichen Idealen den Todesstoß  ■  Von Harald Gesterkamp

Fusionen bedürfen der Rechtfertigung. Mit Vorliebe wird dabei auf die „Effizienzgewinne“ verwiesen. So auch im Fall der im genossenschaftlichen Bankensektor angestrebten Großfusion durch die Deutsche Genossenschaftsbank (DG Bank). Auf der Strecke bleiben, wen wundert's, die genossenschaftlichen Traditionen und Ideale.

Im letzten Monat erfuhr die Öffentlichkeit, was Insider schon lange wußten. Nicht zuletzt wegen diverser spektakulärer Zusammenbrüche sucht der genossenschaftliche Bankensektor nach einer neuen Organisationsform. Noch im August wird der Vorstand der DG Bank den regionalen Zentralbanken ein offizielles Fusionsangebot vorlegen. Damit wird der historisch gewachsene dreistufige Aufbau der Kreditgenossenschaften endgültig in eine konzernartige Struktur umgewandelt.

Die Entwicklung dahin ist seit Jahren absehbar. Zahlreiche Volks- und Raiffeisenbanken wurden zusammengelegt, weil zu kleine Betriebsgrößen dem umkämpften Kreditmarkt nicht mehr entsprachen. Der sogenannte „Mittelbau“, die regionalen genossenschaftlichen Zentralen, schrumpfte in den letzten zwanzig Jahren von 18 auf nur noch fünf bestehende Einrichtungen.

Geht es nach Helmut Guthardt, dem Chef der Frankfurter DG Bank, hat deren Stunde jetzt geschlagen. Die gegenwärtige Struktur, so der Vorstandsvorsitzende, sei nicht mehr zeitgemäß und eine Straffung aus Effizienzgründen überfällig. Nach der Fusion sollen lediglich Kopfstellen der DG Zentrale in den Regionen erhalten bleiben, die jedoch den Weisungen der DG-Manager Folge zu leisten haben. In Bayern arbeiten die Genossen seit einiger Zeit nach diesem Modell, nachdem die DG Bank eine Schieflage der Münchener Raiffeisen -Zentralbank auffangen mußte und dies nutzte, um sie kurzerhand zu schlucken.

Auf den ersten Blick unbedeutende organisatorische Neuerungen werden nahezu sämtliche genossenschaftlichen Prinzipien, ohnehin nur noch ansatzweise in den bundesdeutschen Kreditgenossenschaften erkennbar, über den Haufen geworfen. Traditionell gehörten die regionalen Zentralbanken in Hannover, Düsseldorf, Kassel, Frankfurt und Stuttgart den vielen Raiffeisen- und Volksbanken ihres Umfeldes. Und diese Zentralen wiederum bestimmen mehrheitlich über die Geschäftspolitik der DG Bank. Nach Aufgabe der eigenständigen Regionalzentralen dürften die kleinen Primärgenossenschaften keinen Einfluß mehr auf die DG Bank haben. Im Gegenteil werden sie der dann übermächtigen 'Super-Geno-Bank‘ in der Praxis hierarchisch untergeordnet, obwohl sie juristisch und wirtschaftlich als Genossenschaft keine Filialen der DG Bank sein können. Eine Willensbildung durch die GenossInnen, die heute schon kaum noch stattfindet, wird in der Zukunft endgültig unmöglich sein.

Angefangen hat die Idee der genossenschaftlichen Kreditinstitute Mitte des letzten Jahrhunderts. Anders als im übrigen Europa - namentlich in Spanien oder Frankreich war die deutsche Genossenschaftsbewegung weniger an den Bedürfnissen der Arbeiterbewegung als an denen des Mittelstandes orientiert. In den Städten gründete Hermann Schulze-Delitzsch sogenannte Vorschußvereine, die heutigen Volksbanken. Auf dem Land folgte Friedrich Wilhelm Raiffeisen mit Darlehenskassenvereinen, heute als Raiffeisenbanken noch immer in fast jedem abgelegenen Dorf zu entdecken. Galten zwar schon zu Karl Marxens Zeiten im deutschen Genossenschaftswesen nur in Ausnahmefällen sozialistische Ideale, so waren Genossenschaften dennoch „Kinder der Not“, in denen Solidarität und Selbsthilfe gelebt wurden. Die Kreditvereine setzten der gnadenlosen Ausbeutung durch Banken und lokale Wucherer eine gemeinschaftlich betriebene Bank mit Solidarhaft und starker Identifikation der Mitglieder entgegen. Ein Genossenschaftsgeist wurde dem hautnah erlebten brutalen Frühkapitalismus entgegengesetzt.

Spürt man von der Idee der Gegenmachtbildung in den bundesdeutschen Kreditgenossenschaften der 80er Jahre zwar nichts mehr, so ist zumindest das demokratische Element erhalten geblieben. Weiterhin gilt „eine Person - eine Stimme“, unabhängig davon, wieviel Geld der oder die Einzelne in das Unternehmen steckt. Auch wird in begrenztem Maße eine basisnahe Willensbildung von unten nach oben durch den traditionellen dreistufigen Aufbau ermöglicht.

Setzt sich die DG Bank-Vorstandsetage um den ehrgeizigen Helmut Guthardt durch, ist es mit der formellen Demokratie demnächst auch vorbei. Nach vollzogener Fusion wäre die DG Bank bei einem Geschäftsvolumen von über 200 Milliarden DM in der bundesdeutschen Rangliste der Großbanken hinter der Deutschen Bank auf Platz zwei und damit sowohl an Commerzbank als auch an der Dresdner Bank vorbeigezogen.

Allerdings stoßen die Vorschläge aus Frankfurt nicht auf allen Chefetagen der Genossenschaftszentralen auf Gegenliebe. In Stuttgart und Düsseldorf haben sich die Genossen gegen die Fusionspläne ausgesprochen. Der unbestreitbare ökonomische Erfolg der Genossenschaftsbanken läge seit Jahrzehnten in der Nähe zum Kunden begründet, und die könne eine weitere Zentralisierung nicht gewährleisten, predigt Eberhard Heinke von der Westdeutschen Genossenschafts-Zentralbank (WGZ) alte genossenschaftliche Tugenden. Schließlich droht ihm und seinen Vorstandskollegen ein massiver Verlust an Autonomie, sollten die DG Bank-Pläne Realität werden.

Auch der Münsteraner Hochschulprofessor Holger Bonus vom Institut für Genossenschaftswesen der Westfälischen Wilhelms -Universität plädiert für die Beibehaltung der gegenwärtigen Struktur. Gerade im Hinblick auf den Europäischen Binnenmarkt sei es notwendig, sich bei dem verschärfenden Konkurrenzkampf im Bankensektor ab 1992 von den Großbanken abzugrenzen anstatt sich ihnen anzugleichen. Hinter den Fusionsplänen steckten, so mutmaßt der Wirtschaftswissenschaftler, vermutlich ganz andere Absichten als die genannten Effizienzgründe. Vielmehr versuche das DG -Management, den Konkurrenzkampf um industrielle Großkunden mit anderen Banken aufzunehmen, und sei dafür bereit, die traditionellen Kunden, Bauern und Handwerker, zu vernachlässigen.

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