Wie schon die Alten sungen, zwitschert die JU

Catch as Catch can in der Nachwuchsorganisation der Berliner CDU / Neofaschistische Kontakte als Instrumente im innerparteilischen Machtkampf / „Wer aus der Reihe tanzt, fliegt raus“ / Landesvorstand „Barschel-Methoden“ vorgeworfen  ■  Aus Berlin C.C. Malzahn

Marco Hennig war sauer auf seinen „Vorgesetzten“: „Die Tatsache, daß ich sehr kurzfristig nach dem Abspringen eines anderen Vorstandsmitgliedes zu dieser Reise eingeladen wurde, halte ich für ein politisches Manöver, um mich in den undurchsichtigen, von Taktlosigkeit, politischem Unverständnis und sagenhafter Naivität gekennzeichneten Morast der Machenschaften der Jungen Union hineinzuziehen.“ Hennig, der zum konservativen Flügel der Berliner JU gehört und stellvertretender Landesvorsitzender ist, wurde von seinem Chef, dem JU-Vorsitzenden Gunnar Sohn, vorgeschlagen, an einer vom Botha-Regime finanzierten Reise nach Südafrika teilzunehmen. Was Hennig mit „Taktlosigkeit“, „Morast“ und „Machenschaften“ meinte, der taz aber nicht erzählen wollte, ärgert auch noch andere Mitglieder der CDU -Nachwuchsorganisation. Ein JU-Funktionär: „Das sind Barschel-Methoden!“

Die Methodik hat System: Am 26.Juni 1988 bewachten Heiko Luge und Wolfram Hübner den Eingang des Internationalen Kongreßzentrums Berlins. Dort tagte die rechtsextreme Deutsche Volksunion (DVU). Heiko Luge, Doc-Martens-Stiefel, Bomberjacke und Glatze, ist Mitglied der Jungen Union Tempelhof und der CDU Berlin. Sein Mitstreiter Hübner war es bis vor kurzem; er wechselte vor kurzem in die Partei der reaktionären „Republikaner“.

Luge, früher Funktionär in der christdemokratischen Jugendorganisation, betätigte sich nicht nur als Saalschützer, sondern auch als Zeuge in Gerichtsprozessen. Vor rund einem Jahr entlastete er einen Parteifreund, als diesem „Rechtsextreminsmus“ in einem internen Ordnungsverfahren vorgeworfen wurde. Der junge Mann sagt nun in einem noch laufenden Verfahren gegen Parteifreunde aus, denen Rechtsradikalismus vorgeworfen wird. Sie sollen auf einer Silvesterparty zum Jahreswechsel 86/87 das Horst -Wessel-Lied mit einem kräftigen „Sieg Heil!“ abgerundet haben. Die angeschuldigten JU-Mitglieder, die von der Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung angeklagt wurden, bestritten die Vorgänge. Ein Betroffener, der gegen den Sohn -Clan opponierte, schrieb an das Gericht: „Damit sollte die Wiederwahl des damaligen Kreisvorsitzenden und meine Wahl in den Kreisvorstand Tempelhof verhindert werden.“

Die Vorwürfe, die gegen ihn von Vertretern des rechten „Beton-Flügels“ erhoben wurden, tauchten erst neun Monate nach der Party auf: zwei Tage vor einer Wahl im Kreisverband. Bis zum 10.September schwiegen die Belastungszeugen. Der Angeklagte: „Daß diese Methode, Mitglieder als rechtsradikal zu verleumden, auch diesmal funktionierte, wundert nicht, da auf ähnliche Weise schon oft Einfluß auf Vorstandswahlen genommen wurde.“ Der Mann, den Luge im Parteiordnungsverfahren entlastete, wird zur Sohn-Gefolgschaft gezählt.

Der Kreisverband Tempelhof der JU ist das „Zünglein an der Waage“ bei Landeskonferenzen für den JU-Vorsitzenden. Wenn Tempelhof von anderen Fraktionen erobert würde, hätte Gunnar Sohn keine Mehrheit mehr. Ein JU-Funktionär: „Wer beim Sohn -Clan aus der Reihe tanzt, wird abgesägt. Auch mit solchen Barschel-Methoden.“ Ein JU-Funktionär, der an der Party teilnahm, hat jetzt Anzeige wegen „übler Nachrede und Verleumdung“ gegen die Belastungszeugen gestellt.

Es war an einem Samstag im April diesen Jahres, als Joachim Schmidt nach einer JU-Konferenz die „Tequila Party“ eines Schöneberger JU-Freundes besuchte. Nach ein paar Drinks wurde der Pennäler von einem Parteifreund angequatscht: „Willst Du mal mit mir die NPD besuchen?“ Schmidt erinnert sich: „Der hat mir gesagt, daß wir da spionieren sollten. Das hätte er auf Anordnung des Schöneberger JU-Chefs schon oft gemacht.“ Schmidt, beileibe kein Freund der NPD, war interessiert und ging mit. Am Montag hatte er ein Parteiordnungsverfahren am Hals. Der Vorwurf: NPD-Kontakte.

Schmidt hatte im letzten Herbst gegen einen Vertreter der Sohn-Riege für den Vorsitz der Schüler Union Neukölln kandidiert - und gewonnen. Freunde brachte ihm das nicht. Schmidt erinnert sich an einen Anruf vom JU-Chef persönlich: „Wenn Du nicht von selbst zurücktrittst, müssen wir eben andere Maßnahmen ergreifen!“

Um den mißliebigen Schmidt, der nicht nach Sohns Pfeife tanzt, wieder loszuwerden, schreckten seine Kontrahenten selbst vor Urkundenfälschung nicht zurück. Die Unterschrift des Landesvorsitzenden der Berliner Schüler-Union (BSU), Markus Groß, wurde „getürkt“, um zu einer Mitgliederversammlung einladen zu können, auf der Schmidt dann „weggeputzt“ werden sollte. Der BSU-Chef hatte sich geweigert - er war nach der Satzung auch gar nicht berechtigt dazu.

„Dann sind die auch zu mir nach Haus gekommen!“ berichtet Schmidt. Einige Gefolgsleute von JU-Chef Sohn wollten dem unliebsamen Bezirksvorsitzenden der Neuköllner Schüler-Union eine Unterschriftenliste überreichen. Immer noch war das Ziel, zu einer Versammlung einzuladen. Sie blufften allerdings: Anstelle der zur Einberufung notwendigen 27 Namen standen nur 24 auf dem Papier: Der Kreisverband Neukölln hat 102 Mitglieder, um eine außerordentliche Versammlung einzuberufen, ist die Zustimmung eines Viertels der JU-Belegschaft notwendig. „Die haben gegen meine Tür getrommelt, den Fuß reingestellt und dagegengedrückt!“ beschuldigt Schmidt seine Parteifreunde. Jetzt hat er Anzeige wegen Hausfriedensbruch gestellt. Seine Gegner reagierten prompt: Schmidt darf seit Neuestem das Büro der Neuköllner Jungen Union nicht mehr betreten: Hausverbot.

Ein JU-Funktionär über Sohn, der sich gerade in Südafrika die Sonne auf den Bauch scheinen läßt: „Vielleicht lernt er ja bei Botha noch was dazu. Was Barschel so getrieben hat, ist für ihn ja nichts neues mehr.“