Moral contra Kopfgeld?

■ Die Rumäniendeutschen wollen sowieso gehen

Das Oberhaupt der evangelischen Siebenbürger Sachsen, Bischhof Klein, meint, 33 Prozent der Rumäniendeutschen seien bereit, in ihren Dörfern auszuharren, wenn nur der Auflösungsdruck durch bundesdeutsche Kopfgeldprämien flachfiele. Die Bundesregierung selbst geht derzeit offenbar von 80 Prozent Ausreisewilligen aus. Blieben 20 Prozent, die daheim bleiben wollen. Sollten beide Schätzungen zutreffen, wäre die Ausreise von 13 Prozent der Rumäniendeutschen auf die zukünftigen Prämien der Bundesregierung zurückzuführen. Wer in diesem Häuflein ein Bollwerk gegen nationale Überfremdung erblickt, ist einer Milchmädchenrechnung aufgesessen.

Zehntausende deutschstämmiger Bürger haben Ceaucescous Reich auch bisher Jahr um Jahr eher wegen wirtschaftlicher Not und Staatsterror verlassen als aus Sorge um die eigene Geschichtslosigkeit. Die ethnische Solidarität mit ihr gibt gerade noch einen willkommenen Vorwand ab, um wenigstens einem Teil der Ausreisewilligen aus Rumänien die freie Wahl ihres Wohnortes zu ermöglichen. Die menschliche Geste gegenüber einer Gruppe ist aber noch keine Politik gegenüber dem Staat.

Ob die Summe der bundesrepublikanischen Kopfgelder nun tatsächlich zur Errichtung von Ceaucescous Legebatterien für Menschen benutzt wird, die an die Stelle von Dörfern treten sollen oder ob der Conducator seinen Pomp damit steigert, die wirtschaftliche Situation wird sich weiter verschlechtern. Immerhin hat Ceaucescou erreicht, daß Ungarn, Jugoslawien, die BRD – und im Stillen gewiss auch die Sowjetunion – sich sehr nahe gekommen sind: in der Gegnerschaft zu seinem Regime.

Barbara Kerneck