Aus für 4.200 Hormon-Kälber

■ Umfang des bisher größten Hormoskandals in der Bundesrepublik noch nicht klar / Hormon-Verseuchung bei 4.200 Kälbern nachgewiesen / Illegalem Tierarzneimittelhandel auf der Spur / Haftbefehl gegen Kälbermäster Hying

Düsseldorf/Münster (dpa) - Der bisher größte Hormonskandal in der Kälberzucht weitet sich aus. In aufwendigen und langwierigen Untersuchungen konnte der Beweis erbracht werden, daß mindestens 4.200 von insgesamt 14.000 in den westfälischen Kreisen Borken und Steinfurt beschlagnahmten Kälbern ein in der Bundesrepublik verbotener Hormon-Cocktail gespritzt worden ist. Die Tiere werden notgeschlachtet. Dies sei jedoch „noch nicht das Ende der Fahnenstange“, sagte gestern der Düsseldorfer Umweltminister Klaus Matthiesen (SPD).

Die Staatsanwaltschaft Münster hat inzwischen gegen den 50jährigen Kälbermäster Hying Haftbefehl beantragt. Er betreibt in insgesamt 40 von 49 untersuchten Betrieben Kälbermast direkt oder über Lohnmäster. Hying war am Dienstag wegen Verdunklungsgefahr vorläufig festgenommen worden. Wegen des Verdachts der Mittäterschaft wurde am Mittwoch auch der Futtermeister der „Felix Hying GmbH + Co KG“ vorläufig festgenommen. Aufgrund von insgesamt 47 Zeugenvernehmungen schließt Minister Matthiesen nicht aus, daß es weitere Festnahmen geben werde. Im Hormonskandal ermitteln derzeit Sonderkommissionen von Polizei und Staatsanwaltschaft. Matthiesen hofft, daß im Zuge der Aufklärungsarbeit auch Kanäle eines illegalen Tierarzneimittelhandels aufgedeckt werden, die „weit über die Landesgrenzen hinausreichen“. Nach den Feststellungen des Staatlichen Veterinäruntersuchungsamtes in Arnsberg war den Kälbern eine Mischung aus Östradiolbenzaot, Testosterol -Cypionat und Testosteron-Propionat in den Hals gespritzt worden. Die Analysemethoden sind nach Angaben eines Experten des Ministeriums „äußerst kompliziert“, weil sich die Stoffe im Körper der Tiere aufspalten und nur unmittelbar an der Einstichstelle im Umkreis von zwei bis drei Millimetern nachgewiesen werden können.

Die Untersuchungen der beschlagnahmten Tiere - sie haben einen Wert von schätzungsweise 30 Millionen Mark - werden nach Ankündigung Matthiesens ununterbrochen fortgesetzt. In weiteren 18 Betrieben wurden inzwischen je fünf Tiere geschlachtet und bis zur Kontrolle eingefroren. Bei mehr als der Hälfte waren deutliche Injektionsstellen am Hals endeckt worden. Der Minister geht davon aus, daß in der kommenden Woche der ganze Umfang des Hormonskandals feststeht.

Matthiesen forderte die Bundesregierung auf, die Strafen für solche Verstöße deutlich anzuheben. Nach dem Lebensmittelrecht droht in solchen Fällen eine Höchststrafe von einem Jahr, nach dem Fleischhygienegesetz lediglich ein Ordnungsgeld bis maximal 5.000 Mark.

Lediglich das Arzneimittelrecht droht Verurteilungen bis zu zehn Jahren an. Er hoffe, so der Minister, daß dieser Skandal „in Bonn zur einem Umdenkungsprozeß führt“.