TANZEN IM SING SANG

■ „Moluccan Moods Orchester“ im Tempodrom

Dem Berliner Sommer haftet immer etwas mehr oder weniger Klaustrophobisches an. Wie dem Berliner Zimmer. Als im Sommer zurückgebliebener muß der Berliner raus in die Kultur. Und so läßt er sich, unterwandert von Touristen, zusammengedrängt vor dem Tempodrom - die Veranstaltungen platzen aus allen Nähten, von Ferne umwehen.

Die präsentierte Ferne, so sagt das Programm, ist ein Niemandsland zwischen Asien und Europa - die Nachfahren ehemals Kolonialisierter, Profimusiker indonesischer, molukkischer Herkunft und ein paar Holländer starten einen „musikalisch innovativen Versuch, eine Brücke zwischen Ost und West zu schlagen“. Das beginnt auch erstmal ernsthaft, interessant und vielversprechend nach asiatisch rhythmischer Einstimmung, Gongs und Trommeln, dies und das, schreiten die drei Frontsängerinnen violett, rot und grün verschleiert zu den Mikros, lassen den Schleier ihrer Herkunft fallen und singen. Glockenhell und sehnsüchtig klingen die Stimmen, führen von Asien nach Europa und landen beim Schlager. Und bleiben da. Heimweh; das Heimweh der Neckermänner nach ihrer Südseeinsel, nach ihrem Brasilien. James Last-Träume. Jedes Versprechen wird erfüllt; in der Wunderwelt, im Schlaraffenland des Schlagers gibt's Freibier. Da helfen keine excellenten Musiker, keine Gitarren, Drums, Trommeln, Gongs, Saxophone, Keyboards und unbekannte andere Instrumente.

Vielleicht ist es ein ähnliches Phänomen wie die Boney M. Begeisterung in Afrika; afrikanische Jugend goutiert ihr Plagiat. Und progressive, der westlichen Popmusik müde Europäer feiern das Echte und Authentische. Geht zu Embryo und Yoruba Dun Dun, wenn ihr das Echte liebt.

„Das ist doch schön, nicht wahr?... Tanzen da welche?“ In der Pause: „Die spielen wieder weiter?! - Die spielen wieder weiter. - „Die spielen dann andere Sachen? - Die spielen dann andere Sachen.“ (Plastiktaschenbewehrter Kunstfreund). Letzte Rettung wieder mal der prospektbewehrte bärtige Journalist, der sein Bier diesmal aus einem hölzernen Aschenbecher trinkt.

Detlef Kuhlbrodt

„Moluccan Moods Orchester“, 10.-14.8., 21.30 Uhr, So 15 Uhr.