Im Schnellverfahren Patienten versorgen

■ Der Klinikalltag läßt intensive Pflege der Patienten gar nicht zu / Personalmangel geht auf Kosten der Patienten und des Pflegepersonals / Überstunden sind die Regel, Krankmeldungen des Personals belasten andere Schwestern noch mehr

Mit routinierten Handgriffen dreht Schwester Anne die Patientin auf die Seite, legt ihr die Hand auf die Schulter und redet aufmunternd auf sie ein. Frau L. hatte einen Schlaganfall, ihre rechte Körperseite ist seitdem gelähmt. Immer wieder muß sie vom Pflegepersonal umgelagert werden, allein schafft sie das nicht mehr. Gerade hat Schwester Anne die allmorgendliche Prozedur - Waschen, Kämmen, Zähne putzen - beendet, nun liegt die Patientin in einem frisch bezogenen Bett. Es ist 5.30 Uhr, Schwester Anne richtet sich mühsam auf - ihr Rücken schmerzt. Fünf Patienten hat sie vor Frau L. schon zurechtgemacht, für die gesamte Station mit 35 Betten war sie in der Nacht alleine zuständig.

Doch jetzt ist Schichtwechsel. Nach einer kurzen Übergabe über den Verlauf der Nacht - Herr K. hatte Herzschmerzen, Frau M. klagte über Luftnot - kommt Leben auf die Station. Eine Schwester und zwei Schülerinnen übernehmen den Tagdienst. „Wir sind heute mal wieder schlecht besetzt“, meint Schülerin Heike. Eigentlich hätte noch eine Schwester zum Dienst erscheinen sollen - doch diese hat sich gestern beim Heben eines Patienten den Rücken verknackst und sich deshalb krank gemeldet. Ein Ersatz war so schnell nicht aufzutreiben.

Die anwesenden Pflegekräfte müssen ihre Arbeit mit übernehmen. Wiegen, Blutdruck messen, Betten machen, Medikamente verteilen - all dies geschieht noch vor dem Frühstück. Immer wieder leuchtet die rote Lampe über einer Zimmertür, die Patienten, mittlerweile hellwach, rufen nach der Schwester, ein Wasserglas muß neu gefüllt, eine Urinflasche ausgeleert werden.

Um acht Uhr bekommen die Patienten ihr Frühstück. Herr S., er leidet seit Jahren an einer aufsteigenden Lähmung, kann nicht mehr ohne Hilfe essen. Geduldig schiebt ihm die Schülerin Stück für Stück in den Mund, langsam zerkaut Herr S. das weiche Brot. Alle paar Minuten muß sie jedoch Herrn S. verlassen, um auch anderen Patienten behilflich zu sein.

Um neun Uhr können sich die Schwestern selbst zu einer kurzen Frühstückspause niederlassen. Doch auch dann sind die Schwestern nicht ungestört. Wiederholt ertönt das Klingelsignal, springen die Schwestern vom Frühstückstisch auf und eilen zu den Patienten. Plötzlich stürmt Schülerin Ruth in den Aufenthaltsraum der Schwestern. „Herr K. hat wieder so starke Herzschmerzen, er sieht schon ganz grau aus und bekommt kaum noch Luft!“ Sofort wird der diensthabende Arzt angefunkt, mißt Schwester Margit Blutdruck und Puls des Patienten. Die kurze Pause ist vorbei. Herr K. wird auf die Intensivstation verlegt, der Stationsbetrieb läuft weiter.

Frau B., durch die Amputation ihres linken Beines ans Bett gefesselt, bittet darum, mit dem Rollstuhl in den Garten gefahren zu werden. Doch die Schwestern Schwestern müssen sie vertrösten. Vielleicht klappt es morgen. Die patientengünstigere „Bereichspflege“ können die Schwestern nicht verwirklichen, sie sind auf die rationellere „Funktionspflege“ angewiesen. „Bei der Bereichspflege ist immer eine Schwester für die gleichen Zimmer verantwortlich, so kann ein guter Kontakt zu den Patienten aufgebaut und gepflegt werden“, erklärt mir Schwester Margit. „Aber hier ist das gar nicht möglich, einer mißt Temperaturen, ein anderer macht Verbände - Hauptsache es geht schnell.“

Bei der Visite überläßt Schwester Margit den Schülerinnen die Station - sie muß die Ärzte auf ihrem Rundgang begleiten. Knapp zwei Stunden ist sie unterwegs. Danach muß sie am Schreibtisch die Ergebnisse der Visite ausarbeiten, Untersuchungen anmelden, Laborzettel ausfüllen und den Verlaufsbericht über den Zustand der Kranken schreiben.

Bis um 13.30 Uhr - dann kommt die Ablösung - sind die Schwestern unentwegt beschäftigt. Der Spätdienst, und das ist die Regel, übernimmt mit zwei Pflegekräften die volle Verantwortung für 35 Patienten. Wie kann man bei all dieser Hektik da noch den Überblick behalten? Schwester Margit zuckt die Achseln: „Wir funktionieren eben.“

maz