Sieben Jahre für Apartheid-Gegner gefordert

Plädoyer des Staatsanwalts nach einem Verhandlungstag in Amsterdam / Erstmals Verteidiger gefilzt / Befangenheitsantrag des Verteidigers Bakker Schut abgelehnt / Dem Angeklagten werden Anschläge gegen mit Südafrika kooperierende Unternehmen vorgeworfen  ■  Von Geert Lovink

Amsterdam/taz - Am Mittwoch wurde in Amsterdam gegen den mutmaßlich militanten Apartheid-Gegner Rene R. verhandelt. Ihm wird in dem Prozeß vorgeworfen, Mitglied der Vereinigung RARA (Revolutionäre Anti-Rassistische Aktion) zu sein. Der RARA werden mehrere Anschläge gegen Unternehmen, die Handelsbeziehungen zu Südafrika unterhalten 'angelastet. Ziele der Aktionen waren Shell-Tankstellen und Lagerhäuser des Großhandelsunternehmens Makro, der über seine Muttergesellschaft mit Südafrika verbunden ist. Bei den Anschlägen, die zwischen 1985 und 1987 verübt wurden, entstanden Sachschäden in Höhe von 133 Millionen Mark. Die Staatsanwaltschaft forderte trotz schlechter Beweislage sieben Jahre Haft für den jungen Niederländer. Das Urteil wird am 24.August verkündet.

Die Verhandlung im Amsterdamer Gerichtshof, die vorgestern bis spät in die Nacht dauerte, konnte erst mit fünfstündiger Verspätung beginnen. Rene R.s Verteidiger Pieter Bakker Schut hatte einen Antrag auf Befangenheit des Richters Michels gestellt, weil zwei Zeugen, die zum politischen Engagement des Angeklagten befragt werden sollten, die Aussage im Prozeß verweigert worden war. Außerdem wurde die Zelle von Rene R. vor seiner Überführung zum Gericht durchsucht und seine Aufzeichnungen durchgesehen. Erstmals in der niederländischen Rechtsgeschichte mußten sich die Anwälte vor Betreten des Gerichtssaales durchsuchen lassen. Doch der Antrag Bakker Schuts auf Befangenheit wurde abgelehnt.

Die Gerichtsverhandlung wurde - ebenfalls erstmals in der niederländischen Rechtsgeschichte - live im Rundfunk übertragen. Vor dem Gerichtsgebäude picknickten etwa 15O RARA-Sympathisanten und verfolgten das Geschehen übers Radio. Verteidiger Bakker Schut konnte aber nach der Ablehnung des Befangenheitsantrages doch noch einen Erfolg verbuchen. Die beiden Zeugen durften aussagen. Für Überraschung sorgte das Gutachten des Elektroingenieurs Erdsieck, der nachwies, daß die Zeitzünderschaltungen, die bei Anschlägen benutzt worden sind, nicht von ein- und derselben Person stammen konnten. Dennoch hält es die Staatsanwaltschaft für erwiesen, daß Rene R. an sechs von vierzehn Anschlägen beteiligt war. Als Indizien führt sie zum Beispiel einen anoymen Zeugen an, der in einer Tankstelle gearbeitet hat und Rene R. beim Kauf eines Benzinkanisters beobachtet haben will. Ein weiteres Indiz ist sein Fingerabdruck unter vielen auf einem der Zeitzünder. Es gibt jedoch offensichtlich keinen einzigen Beweis, der zwingend auf eine Täterschaft Rene R.s schließen läßt. Dennoch blieb die Staatsanwaltschaft bei ihrer Forderung nach sieben Jahren Haftstrafe, die sie mit dem hohen Sachschaden und der „enormen gesellschaftlichen Unruhe“ begründet.

Um gegen RARA vorzugehen, war vor wenigen Monaten eine Sondereinheit von 150 Polizisten zusammengestellt worden. Sie hatten im April acht angebliche RARA-Mitglieder festgenommen. Sieben von ihnen wurden jedoch mangels Beweisen kurz darauf wieder auf freien Fuß gesetzt.