Hanseaten unter sich

■ Nord-Genossen vertauschen Understatement mit Selbstüberschätzung

Understatement als hanseatische Variante des Lokalpatriotismus ist out. Wenn die Genossen Bürgermeister aus Bremen und Hamburg in breitem Norddeutsch zur Sache kommen, geht es um „Finanzausgleichsgesetze“, „Forschungs –Infrastrukturmaßnahmen“ und „Standortvorteile bei der Wirtschaftsakquisition“. In den Mündern der hanseatischen Senatspräsidenten qualmen keine dicken Havannas mehr; braungebrannt, gutrasiert und wortgewandt präsentieren die agilen Mittvierziger hemmungslos Forderungskataloge. Ihre einstigen Welthandelsmetropolen sind pleite und auf jede Subventions-Mark angewiesen.

Smart sind sie, die Wedemeiers und Voscheraus. Wenn es hinter ihren Stadtmauern in selbstherrlicher alter Einsamkeit nicht mehr weitergeht, haben sie keine Skrupel und machen sie sich sogar mit dem einst verächtlich übersehenen Land der meerumschlungenen Bauern gemein. Mit Björn Engholm – aus Schleswig-Holstein frisch an den Tisch wollen die Hanseaten jetzt wieder was werden. Wenn im CDU –Präsidium um den Länderfinanzausgleich Poker gespielt wird, soll in Zukunft ihre ernste Miene nicht mehr fehlen.

Die flotten Jungmanager der norddeutschen Küstenländer haben erkannt, daß sie auf Ernst Albrechts Taktik-Talent im Gerangel um Bonner Millionen jetzt besser verzichten; schließlich muß der niedersächsische Ministerpräsident inzwischen täglich seinen Rücktritt dementieren. Doch wenn die Hanseaten meinen, sie könnten nun selber dessen Rolle spielen, dann demonstrieren sie damit das Spiegelbild hanseatischen Understatements: Selbstüberschätzung.

Dirk Asendorpf