Noch ein armer kranker NS-Täter

Fall Malloth: Galinski empört über die Untätigkeit der bundesdeutschen Justiz / Staatsanwaltschaft sieht immer noch keinen konkreten Tatverdacht / Im Dokumentationszentrum des KZ Theresienstadt Hunderte von schriftlichen Zeugenaussagen gegen den SS-Mann  ■  Von Max Thomas Mehr

Berlin (taz) - Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, hat angedroht, im Fall des SS -Manns Anton Malloth, beim Justizminister zu intervenieren. Galinski kündigte diesen Schritt an, falls die Behandlung dieses Verfahrens weiterhin einen so unbefriedigenden Verlauf nehme. Der 76jährige ehemalige KZ-Aufseher in Theresienstadt war am Mittwoch von Italien nach München abgeschoben worden. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft ging er gestern in ein bayerisches Krankenhaus.

Galinski bezeichnete die juristische Behandlung des Falls Malloth als „ganz unwürdigen und beschämenden Vorgang“. Er äußerte gegenüber dieser Zeitung die Auffassung, daß es „kein gutes Licht auf die bundesdeutsche Justiz wirft“, wenn sie, wie in diesem Fall der ermittelnde Oberstaatsanwalt in Dortmund Klaus Schacht, keinen „dringenden Tatverdacht“ als gegeben ansieht, obwohl Malloth „immerhin in der CSSR bereits 1948 in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden ist“. Im übrigen sei es ein Hohn, so Galinski, daß der Staatsanwalt offenbar die Akten nicht gesichtet habe, obwohl das Verfahren seit 1970 anhängig ist.

Auch der Leiter des jüdischen Dokumentationszentrums in Wien, Simon Wiesenthal ist über das Verhalten der bundesdeutschen Justiz empört: „Ich kann nicht verstehen, daß der Oberstaatsanwalt keinen dringenden Tatverdacht sieht“. Schon im österreichischen Steckbrief aus den 50er Jahren seien ganz konkrete Taten, die Malloth vorgeworfen werden, enthalten und durch Zeugenaussagen belegt. So sei darin aufgeführt, daß er am 2. Mai 1945 im KZ Theresienstadt den Häftling Langer erschossen hat. Außerdem seien konkrete Angaben über Folterungen von Zeugen bestätigt, in dem Steckbrief enthalten. Malloth sei im Übrigen auch in den kürzlich an die bundesdeutsche Justiz übergebenen UNO-Akten über Nazi-Verbrecher aufgeführt. Über die Vita des Nazi -Verbrechers wird in der gestrigen Ausgabe der tschechischen Parteizeitung Rude Bravo ausführlich berichtet. Danach war Malloth, gebürtiger Südtiroler, bis 1939 italienischer Staatsbürger, von Beruf Schlachter in Meran und nahm dann auf eigenes Gesuch hin die deutsche Staatsbürgerschaft an. Im Februar 1940 ging er zur Schutzpolizei Innsbruck, im Juli desselben Jahres bereits als Aufseher ins Polizeigefängnis der Gestapo im Pankrace Viertel in Prag. Bald danach wurde er Aufseher in der sogenannten „kleinen Festung“ im KZ Theresienstadt, wo er bis zum 5. Mai 1945 blieb. In einem Interview mit dem Leiter der Gedenkstätte Theresienstadt Wazlaw Novak geht es um die Tätigkeiten Malloths in der „Kleinen Festung“, von der Wiesenthal sagt, daß 90 Prozent der dorthin eingelieferten KZ-Häftlinge sie nicht überlebten. Auf die Frage nach der konkreten Tätigkeit Malloths und danach, was darüber bekannt geworden sei, antwortet der Direktor der Gedenkstätte Theresien Fortsetzung auf Seite 2

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stadt: „Von Anfang an hatte er die Funktion eines Wärters. Mitte 1941 wurde er Aufseher.“

Er wurde vom Volksgericht in Ritomerecech im Jahre 1948 zum Tode verurteilt. Warum?

Antwort: „Malloth war bekannt als eitler , primitiver Mensch. Die Häftlinge, aber auch die Aufseher nannten ihn den 'schönen Toni‘. Trotzdem man ihn den Schönen nannte, war er ein sehr grausamer Mensch der auch dem Alkohol frönte. Unter dem Einfluß des Alkohols war er besonders grausam zu den Häftlingen und folterte sie. Das Ziel seiner sadistischen Angriffe waren besonders politische Häftlinge und Juden. Freiwillig und offenbar gern meldete er sich oft zu Hinrichtungskommandos.“

Im Archiv der Gedenkstätte Theresienstadt seien mehr als 2000 schriftliche Aussagen von ehemaligen Häftlingen gesammelt, die sich der Grausamkeiten erinnern.