Vier Mark Miete pro Frau und Tag

■ „Die Frauen von Obernheide“, die Geschichte jüdischer Trümmerfrauen in Bremen / Sie arbeiteten für Bremer Baufirmen und wurden von der SS ausgeliehen / Gedenkstätte an ihrem früheren KZ wird Ende August eingeweiht

Sie gehörten zu den ersten „Trümmerfrauen“: 800 Jüdinnen aus Polen und Ungarn räumten in den letzten beiden Kriegsjahren den Bombenschutt von Bremer Straßen und klopften Steine. Im Lager Obernheide bei Stuhr, einer Außenstelle des Hamburger Konzentrationslagers Neuengamme, wurden sie gefangengehalten. Hartmut Müller, Leiter des Bremer Staatsarchivs und Bürger von Stuhr, hat den Lei

densweg der Zwangsarbeite rinnen nachgezeichnet.

Der Bremer Senator für das Bauwesen hatte im Frühling 1944 bei den Menschenjägern der SS Arbeitskräfte zum Trümmerräumen angefordert. Einige der jungen Frauen, die die SS dann im August des gleichen Jahres lieferte, gingen zur Zeit der senatorischen Anfrage noch aufs Gymnasium in ihrer ungarischen Heimat. Allerdings waren sie von der

SS schon erfaßt worden und mußten Judensterne tragen.

Wenig später wurden sie mit ihren Familien nach Auschwitz deportiert. Nur, wer jung und gesund war, kam von Auschwitz nach Bremen und wurde dort in zwei ehemalige Kriegsgefangenen-Baracken in Stuhr-Obernheide gefangengehalten. Die SS vermietete sie kolonnenweise an kleine Baufirmen. Vier Mark pro Tag kassierte die SS für „Ernäh

rung“ und Bewachung der Frauen. Auf dem Rücken trugen sie große, weiße Kreuze, die den Wachtposten das Zielen erleichtern sollten, wenn eine von ihnen floh.

Als die britischen Truppen im April 1945 auf Bremen zurückten, trieb die SS die Frauen von Obernheide zu Fuß in Richtung Verden. Nach tagelangem Herumirren kamen sie schließlich im KZ Bergen-Belsen an, wo viele von ihnen an dem grassierenden Fleckfieber, an Unterernährung und Entkräftung starben.

Ende August wird eine Gruppe von Überlebenden nach Bremen kommen. Dann wird auf dem Gelände ihres früheren Lagers eine Gedenkstätte eingeweiht.

Eine fiktive Zwangsarbeiterin schreibt ein Tagebuch. In dieser Form hat Hartmut Müller die Geschichte der Zwangsarbeiterinnen im Lager erzählt. Dennoch sei nichts in dem Buch erfunden, betonte er gestern, jedes im Buch wiedergegebene Detail sei ihm berichtet worden.

Als Geldgeber und Herausgeber fungiert Arbeitssenator Konrad Kunick. Zur Begründung sagte er, sein Ressort sei für die Entschädigung der Häftlinge zuständig.

mw

Hartmut Müller: Die Frauen von Obernheide. Donat-Verlag, 19.80 Mark