Fans wollen keine „Zootiere“ sein

■ „Fußball ist unser Leben“: Psychologen und Pädagogen suchen Fragen und Antworten zum Fan-Verhalten Die Betroffenen fühlen sich als exotische Exemplare mißbraucht und haben genug von artigen Vorträgen

„Warum prügelt ihr Euch“, will ein Pädagoge wissen. Auf die komplizierten Fragen, die Soziologen, Pädagogen und Politiker auf dem Fankongreß - Motto: „Fußball ist unser Leben“ - im Gustav-Heinemann-Haus in Bremen hin- und herwälzen, haben die, die es angeht, eine ganz einfache und plausible Antwort: „Es macht Spaß“, sagt ein Hooligan. Weniger Spaß macht den rund 150 Fans, die der Einladung zu dem von der Deutschen Sportjugend veranstalteten Kongreß gefolgt sind, was bislang in Bremen geboten wurde.

„Wir fühlen uns hier wie seltene Tiere im Zoo“, brachte eine Fußball-Fan-Frau die Stimmung unter lautem Beifall auf den Punkt. Betreten blickten die Veranstalter und ihre Gäste, Politiker aus Bürgerschaft und Senat, Jugendfunktionäre der veranstaltenden Sportjugend und die „Experten aus Wissenschaft und Praxis“ in die Gegend. Ihre meist langweiligen Vorträge hatten die Fans zuvor immer wieder an Kikker, Torwand und Computerspiele vertrieben.

Gestern in der Mittagspause verfaßten die Fans eine Resolution, und darin wurden sie konkreter: Im Plenum sei ihnen praktisch Redeverbot erteilt worden, damit die Experten ihre Vorträge ungestört über die Bühne bringen; die Organisation sei fan-feindlich, weil sie bis zu 25 Kilo

meter entfernt über die Stadt verstreut untergebracht seien; das Rahmenprogramm sei zudem uninteressant. Und der Hauptvorwurf: Im Plenum säßen Zivilpolizisten, die verdeckt arbeiteten.

Opfer der aufgeladenen Stimmung wurde der Sprecher des DFB -Jugendausschusses, Drewitz. Artig bedankte er sich bei allen, daß sie da seien, artig betonte er die Bedeutung der Fans für den größten Fußballverband

der Welt und versprach, alle Anliegen der Fans weiterzugeben. Als schließlich Satz für Satz in Hohngelächter, Zwischenfragen und Pfiffen unterging, gab der Verbandsfunktionär auf.

Alle sollen miteinander reden bei diesem Kongreß. Nur zu sagen haben sie sich eigentlich nichts. Und so wurde es auch nur für die Bremer Fans richtig konkret. Da versprach am Donnerstag bei der Eröffnungsrede Se

natsdirektor Hans-Christoph Hoppensack, stellvertretend für Sozialsenator Henning Scherf, daß sich die Stadt Bremen zukünftig an der Finanzierung des Werder-Fan-Projektes beteiligen werde. Hoppensack möchte erreichen, daß die Stadt und der Sport das Defizit des Projektes von 130.000 Mark jährlich jeweils zur Hälfte übernehmen. Bislang bezieht das Fan-Prokjekt seine Gelder vor allem vom Ar

beitsamt, das die ABM-Anträge bislang großzügig bewilligte.Um dieses Modell zu sichern, wird Hoppensack noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. „Jugendpolitik ist eine staatliche Aufgabe“, lehnte Werdermanager Willi Lemke gestern ab, mehr als die bisherigen 10.000 Mark Sachmittelzuschuß zu gewähren. Und der Vorsitzende des Bremer Fußballverbandes, Egon Kähler, fiel gestern auf telefonische Nachfrage hin aus allen Verbandswolken: „Profisport ist Sache von Werder, da haben wir nichts mit zu tun.“ Der Fußballverband habe für so etwas „keine müde Mark“, und er könne es sich nicht vorstellen, daß den Vereinen Geld entzogen werde.

Sicher ganz im Sinne seines Bremer Kollegen fand DFB -Funktionär Straub deutliche Worte zum Verlangen nach Mitverantwortung der Vereine für die Fan-Betreuung: „Fordern kann man alles. Aber da könnte ja jeder kommen. Schließlich sind alle Fans.“

Die Fans, um die es bei diesem Kongreß eigentlich gehen soll, soweit sie aus Bremen kommen, überlegen derweil, wie sie morgen im Weser-Stadion eine Scharte vom letzten Wochenende auswetzen können. Da hatten 90 Hannoveraner die Bremer überrascht und gejagt. Das soll gegen Leverkusen nicht wieder passieren.

my/hbk