BESUCHSPUNKTE

■ Grenzenlose Unscheinbarkeit im Volkspark Hasenheide

Nicht gerade das, was man sich unter einem großstädtischen Park vorstellt - zu eng eingezwängt von drei lauten Hauptverkehrsstraßen und einem Militärflugplatz; Rasenflächen ungemäht oder totgetreten, Bierdosen und Tempo -Tücher im Gebüsch. Auch die Denkmäler („Jahn-Eiche“, „Trümmerfrau“) machen nicht die Sensation des „Volksparks“ Hasenheide aus; attraktiv ist das Gelände durch die schriftlichen Verlautbarungen, mit denen es seine grenzenlose Unscheinbarkeit elegant überspielt - 21 Besuchspunkte nennt eine Farbtafel. Gleich zwei Nummern weisen auf „WC“ bzw. „Imbiß mit WC„; neugierig macht auch der „Stützpunkt des Gartenbauamtes“ (Parodie eines Gutshauses - vergitterte Fenster und vereinzeltes Hühnergackern). „Gepflegte Getränke“ verheißt ein Lokal, dessen Benennung mit „Parkpavillon“ entschieden schwungvoll angegangen, dann bei der „Hasenschänke“ doch wieder unfreiwillig angemessen wird. Sehr neuköllnisch auch der „Skatplatz“. Geradezu durchtrieben unterstellt das Gartenbauamt den lethargisch dösenden Rehen im „Tiergehege“ die Autorenschaft für einen Appell („Liebe Tierfreunde! Wir glauben, Ihr denkt, wir hätten nicht genug zu essen! Aber Ihr irrt!“). Die Neuköllner versuchen schwach mit „Schildkröte entlaufen! Belohnung!“ zu kontern.

Dankbar nimmt man die Erklärung zweier hutartiger Gebilde aus Filz und Dachpappe als „Unterstellpilze“ zur Kenntnis man wäre nicht drauf gekommen; die Dinger stehen auch ganz am Rand des Geländes, wo man bei Regen längst triefnaß wäre. Meisterstück des Gartenbauamtes ist die Conference zum „Naturlehrpfad“ im Zentrum des Geländes: „Machen Sie und Ihre Kinder mit beim Baumquiz! Denn es wird nur geschont, was bekannt ist!“ Schaudernd wendet man sich von der Drohung ab und hält Ausschau nach Männern in Jogging-Anzügen, die Axt unterm Arm - unbekannte Bäume suchen. Aber die Renner, die sich mitunter schon um sieben Uhr morgens über die Asphaltwege quälen, sitzen jetzt am späten Nachmittag sicher im Stützpunkt des Gartenbauamtes oder vor der Hasenschänke und grübeln über Attraktion Nr. 21: „Teich (geplant)“.

Klaus Nothnagel