Heute noch ein Bäumchen pflanzen

■ Umweltschützer und Deichhauptmann Gerold Janssen als Gastprediger in Borgfeld

Das Glaubensbekenntnis fiel ersatzlos aus. Allerlei „Ehre sei Gott in der Hö-hö-hö-he“, „Hallelu-hu-ja“ ebenso. Auf den Kirchenbänken lagen aus buntem Papier einheitlich nach Schablonen ausgeschnittene grüne Blätter und gelbe Birnen dazu Bleistifte. Rechts und links vom Altar standen höchst symbolisch zwei Bäume: abgestorben und blätterlos der eine, taufrisch und mit grün verpacktem Wurzelballen der andere.

Mit Gummistiefeln und Regenjacke trifft man sonst meist den, der gestern in der Borgfelder Kirche vor vollbesetzten Kirchenbänken sprach: Gerold Janssen, unermüdlicher Umweltschützer, Holler-Land-Aktivist und engagierter Deichhauptmann mit neumodisch grünen Methoden. Ausgerechnet den hatte Pastor Helmut Klagge als Gastprediger geladen, obwohl Borgfelds noble Villen und große Bauernhöfe politisch eher nicht Sympathie mit dem radikalen Deichhauptmann signalisieren, und obwohl das Dorf fest in konservativer Hand ist. Aber: Was der Herr Pastor sagt, das wird auch getan. Aufmerksam hörten alte und junge KirchgängerInnen sich die Geschichte an, die der Gast im karierten Hemd erzählte: Von der Rettung eines mächtigen Apfelbaumes in Nachbars Garten, der eigentlich zu alt und im Wege war für Rasenmäher und Gartenstyling, aber schließlich leben durfte und noch jetzt Sauerstoff wie Schatten spendet, üppige Blüte und leckere Ernte, („bis zum Frühjahr lagerbar!“), die Kinder zum Klettern animiert und schließlich noch Laub für den Kompost liefert, der die Giftspritze und importiertes Obst, womöglich aus Südafrika, überflüssig macht. „Wir sollten aufhören, die Natur nach Moden oder schlechten Gewohnheiten auszurichten“, fand Janssen abschließend, „der Mensch ist nicht das Maß der Dinge.“

Was dann kam, heißt in der Schule Stillarbeits-Phase. „Schreibt auf die Blätter und Birnen, was Euch zum Thema bewegt“, schlug der Pastor vor, und tatsächlich griffen, ohne zu zögern, weißhaarige Kirchgängerinnen und kurzbehoste Jungs zu den Stiften, schrieben und brachten ihr Blatt nach vorn, um den abgestorbenen Baum zu schmücken. Auch die nächste Aktion machten alle mit: rausgehen auf den Friedhof, den jungen Baum einpflanzen, das Vaterunser beten, und, schon zu den Klängen der Blaskapelle (nebenan hatte das Gemeindefest begonnen), „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ zu singen.

Auf den Zetteln, die grün und gelb am Baum hingen, sorgten sich die Menschen in Sütterlin- und in kindlicher moderner Handschrift um Nordsee und Umweltschmutz, verdammten Gift im Garten und Asphalt auf Autozufahrten, fanden: „Gott ist auch in kleinen Dingen!“ - Nur für einen ging das Ganze wohl zu weit: „Naturschutz ja - aber die Kirche sollte im Dorf bleiben.“ Susanne Paa