Warum keiner mehr kommt

■ Nur 10.000 zahlende Zuschauer am Samstag bei Werder / Finanzielle Engpässe drohen, aber der Verein ist bar aller Erklärungen / taz-Reporter bohrten nach

Ein Frage wurde am Samstag im Weser-Stadion ein ums andere Mal gestellt: „Warum will niemand Werder sehen?“ Nach Abzug aller Dauerkarten-Inhaber und aller Zuschauer, die beruflich ins Stadion gezwungen und/oder auf Ehren-, Frei- und Sonderkarten eingelassen waren, blieben vielleicht 10.000, die Geld gegeben hatten, um Werders 3:1-Sieg über Bayer Leverkusen zu sehen.

Werders Vereinsführung

fragte geradezu verzweifelt: „Warum kommt keiner? Ich weiß es nicht.“ (Vize-Präsident Fischer) „Wenn das so weitergeht, müssen wir uns Gedanken machen.“ (Manager Lemke). taz -Reporter, nicht unberührt von diesen Sorgen, stürzten sich vor Ort mit Kraft und Fachwissen in die gewissenhafte Untersuchung.

Nur wenig repräsentative Antworten vor dem Spiel. Meggy und Dolly aus Leverkusen konterten glatt: „Weil wir für Bayer sind.“ Osterholz-Tenevers Boß Erwin Trodler: „Weil ich nur einmal im Jahr 25 Freikarten kriege.“ Ein Fach-Journalist: „Wenn der Manni nicht von Beginn an spielt, gibt's Angsthasen-Fußball. Das wollen wir nicht sehen.“

Dann spielte Werder aber auch ohne Manni hinten sicher den Ball raus und machte vorne mit flotten Kombinationen Druck aufs Tor, was die Chemie-Truppe zu ständigen Fehlern verführte. Seckler unterlief der bitterste, als er einen Sauer-Freistoß ins eigene Toreck lenkte.

Also weiter gefragt, zur Halbzeit bei 1:0 für Werder. Addi, in die Ostkurve vertriebener Intellektueller: „Wegen Budde, dem Theater beim letzten Spiel.“ Micky, Alt-Linker neben ihm, konterte politisch: „Es ist die Kommerzialisierung, die schreckt ab. Guck doch nur mal in die Fernsehverträge.“ Ein Blick weiter, Leute von den Fan-Pro

jekten: „Das liegt an den Spielern, an der Arroganz, die wollen doch nichts mit uns Fans zu tun haben. Wer soll die noch lieben...“

Das Spiel bewies das Gegenteil. Riedle, zweimal blitzschneller reagierend als Vollborn, traf zum 2:0 und 3:0. Die Kurve liebte ihn und schrie „Kalle Kalle ..“ Je zerfahrener dann das Spiel im letzten Viertel wurde, weil Werder von Bayer niemals torgefährlich angegriffen wurde, (nur ein Ball kam auf Recks Tor, der aber war, von Schreier eingeköpft, auch drin) desto mehr Zeit blieb zur Lösung unseres Problems. Also umgedreht und den Tribüne-Besuchern aufs Maul geschaut. „Wenn ihr die Parkplätze vorm

Stadion sperrt, dann bleibe ich lieber zuhause.“, murrte ein Gewerbetreibender aus Saterland. Und seine Gattin pflichtete bei: „Seit 20 Jahren sind wir nicht mehr Bahn gefahren.“

Ratlos wie Trainer Michels schlich das taz-Team am Ende an den Kabinen vorbei. Ein gutes Spiel, das keiner sehen wollte. Fußball am Ende? Politiker wissen immer eine Antwort. Also, Karl-Hermann Niestädt: „Irgendwie ist ja noch Ferienzeit.“ Martin Thomas: „Fußball ist in Verruf gekommen durch die Ereignisse der Vergangenheit.“ Senatsdirektor Meyer-Schwinkendorff: „Es kommen auch wieder mehr.“

Dieter Mützelburg