Wo die müden Kerle schwoofen

■ Lude LaFayette, weiland Mitheuler bei „Wolfsmond“, bediente am Freitag das Stubu-Publikum, und der taz-Rezensent ließ sich tatsächlich vom schlimmen Luden in die Höhle des Wolfes locken

Für Viertel-Bremer, die ihre musikkulturellen Gelüste gewöhnlich im Dreieck zwischen Modernes, Schauburg und Schlachthof befriedigen, ist das Stubu sowas wie ein exotisches Tabu, ein Ort beyond the boarder: Man geht nur hin, wenn's denn unbedingt sein muß, also möglichst nie.

Mutige berichten, nach geglückter Rückkehr an den Tresen des Bistro Brazil, bisweilen von nahezu traumatischen Erlebnissen zwischen Lampions, Bierseideln, beängstigender Musik und fremdartigen Menschen und schwören bei allen Cubra Libres dieser Erde: Nie wieder! Auch alte Hasen sind da nicht gefeit: taz-Kollege JüS erwischte es kürzlich heimtückisch, wie unlängst hier nachzulesen war. Er laboriert noch an den Folgen. Seit diesem denkwürdigen Erlebnis gilt intern als abgemacht: Ich muß

dahin, wenn es mal, was selten vorkommt, aus Richtung Stubu nach musikalisch Interessantem riecht.

Das Stubu ist ein typischer Umland-Club, von biederem Ambiente und kein bißchen hip; an jedem Wochenende proppevoll mit Butenbremern so ziemlich jeden Jahrgangs, im Sportstudio-Chic die meisten, viele einsame Männer, viele schöne Frauen, oft zu zweit. Man kommt spät, bleibt lange, trinkt viel. Musikmäßig bewegt man sich durch die Zeiten, in denen die Stammgäste mal jung waren, und ab und zu erkennt man unter den von wehmütiger Erinnerung faltig oder füllig gewordenen Exponenten der frühen Bremer Szene zum Beispiel Jochen und Jürgen von den „Happy Times“ wieder, oder auch den, der mich diesmal Hinter den Schütting gelockt hatte, weil er

nach langer Zeit mal wieder selbst auf einer Bremer Bühne stand: Jochen Lude Peters alias Lude LaFayette, einst musikalischer Kopf und Sänger der in den späten 70ern recht erfolgreichen Deutschrock-Gruppe Wolfsmond, auch sie damals Stammgäste im Stubu, denn hierher kommen seit Jahren nicht nur immer wieder die selben Kunden, sondern auch die selben Musikanten in schöner Regelmäßigkeit.

Lude LaFayette natürlich heuer nicht mit den Kämpen von Wolfsmond, die sich schon lange als Meier, Miller, Kaiser herumschlagern, sondern mit den Kumpels: Kai Stellmann an den Trommeln, Harald Konietzko am Bass und, als Knaller des Abends, der Ex-DDR-Blues-Freak Hansi Biebel mit Gitarre.

Irgendwann - wie immer sehr spät im Stubu - ging's dann los

mit „Waiting for my Man“ vom ollen Lou Reed. Ich wußte nicht so recht, worauf ich eigentlich wartete und was ich erwartet hatte, hatte jedoch den unerschütterlichen Vorsatz, mich trotz allen Unkens unbedingt zu amüsieren.

Doch Lude Peters schaffte es, mich im Verlauf des Abends total abzunerven: Er sang sich quer durch seine Lieblingslieder von früher bis ganz früher, unoriginell, unambitioniert, bewegungs-und ideenlos. Bei den Stones gelang's ihm noch leidlich bis gut, die meisten anderen Sachen spielte er schlicht bis schlecht nach, und mit den Beach Boys blamierte er sich dann. Zweifellos wäre ich irgendwann über dem Bierglas eingeschlafen, wäre da nicht der Hansi Biebel gewesen, der mich mit seinen überraschenden Einschüben, seiner bluesigen

und sehr abgeklärten Spielweise ab und zu aus meiner selbstmitleidigen Lethargie riß. Als er dann auch noch sang, machte er „Under the Boardwalk“ zum einzigen Song mit individuellem Ausdruck und stahl dem Monsieur LaFayette auch noch die Schau.

Einen Spaß wollt‘ er sich machen mit diesem Auftritt, hat er gesagt, der Lude, der schlimme. Er sah nicht so aus, als hätte er Spaß. Aber bald will er ja mit alten und neuen eigenen Sachen auf Tour gehen. Vielleicht wird's dann was. Ob er noch „Radio Rock'n'Roll“ gespielt hat? Keine Ahnung. Irgendwann hielt ich's nicht mehr aus. Beim Rauskriechen fiel mir auf, daß immer mehr Menschen in den Saal strömten, je mehr sich Ludes Gig dem Ende näherte. Irgendwie müssen die alle mehr gewußt haben als ich.

Rainer Köster