Entzücken durch Dauerexzess

■ Weltmeisterschaften der TriathletInnen auf Hawaii / Petra Alzuyeta und Klaus Haetzel als einzige Berliner Athleten dabei / Körperliche Opiate sorgen bei Dauerbelastung für Rauschzustand

Ein wenig erinnert es an Heavy-Metal-Mythen aus Comics: Klaus Haetzel als Senatsangestellter und auch Petra Alzuyeta, die von Beruf Mutter und Bibliothekarin ist, zählen wohl eher zu den braveren Zeitgenossen unserer Stadt. Doch beide sagen für den 22. Oktober bei den „Triathlon -World-Championchips“ auf Hawaii eine eigentümliche Metamorphose ihrer Körper voraus. Haetzel will nach der Sprachregelung der Triathleten zum „Ironman“ mutieren, und Alzuyeta verwandelt sich in die „Ironlady“ (eiserne Lady). Neben ihrem Berufsalltag absolvieren die Dauerleister zwischen Oktober und Mai ein Trainingspensum von 14 bis 24 Stunden wöchentlich. Die beiden Berliner reisen als einzige Vertreter der Stadt auf die schöne Insel. Ein paar anderen, die sich ebenfalls qualifiziert hatten, ist der Trip wohl zu teuer.

In Hawaii wollen sie 3,8 km durchs offene Merr schwimmen, 180 km Rad fahren und 42 km laufen. Alles an einem Stück in der Bruthitze der pazifischen Insel - was mensch sich mal ernsthaft vorstellen soll. Im Grunde ist es eine aberwitzige Veranstaltung für den 47jährigen Haetzel und die um drei Jahre jüngere Petra Alzuyeta. Die beiden haben den Zenit ihrer maximalen Leistungsfähigkeit schon lange überschritten, schneller können sie kaum werden. Es locken die immer längeren Distanzen. Vielleicht verschwinden die Triathleten aber auch ein wenig in der Zeit: Haetzel brauchte bei der Qualifikation in Roth bei Nürnberg 11:47,16 Stunden und Alzuyeta 12:12 Stunden. Aber es geht noch länger.

Der Senatsangestellte will Ende November bei einem Dauerexzess mit dem Titel „Ultraman“ sogar neun km Schwimmen, 360 km Radfahren und 84 km Laufen. Daher betrachtet er die Auftaktveranstaltung einen Monat früher nur als „Generalprobe“. Welchen Sinn hat das noch? Haetzel redet vom „Abenteuer überhaupt“ und begründet seine extremistische Gesinnung so: „Nachdem der Marathonlauf für mich ausgereizt war, habe ich mich nach etwas Neuem umgesehen.“ Aber nicht nach Hallenjojo oder Fischstäbchenweitwurf. - Nein, der Senatsangestellte wollte es richtig hart, oder besser eisern.

Trotzdem bleibt sein Ausbruch „im Rahmen“. Er ist kein Abenteurer alter Schule, der nach Alaska auswandert, um Bären zu jagen. Haetzel gönnt sich nur ein paar Spitzen in seinem Bürgeralltag, baut seine Exzesse ins Berufsleben ein. Exzess und Ordnung - die neue sportliche Kombination mit dem Namen Triathlon.

Ganz Diener seiner Senatsbehörde lief er im letzten Jahr in Hawaii mit einer Fahne zur 750-Jahr-Feier Berlins durchs Ziel. Damals wurde er von der Bundesregierung gesponsert, wie er der 'West Hawaii Today‘ erzählte. Er sagte damals: „Wir sind dankbar für die Hilfe von der Regierung.“ Woran mensch mal wieder sieht, daß sich Vater Staat seine Extremisten was kosten läßt.

Eins ist jedoch klar. Wie bei jedem anderen Menschen, der stundenlang am Stück läuft, werden auch bei Klaus Haetzel irgendwann körperliche Opiate im Hypothalamus (Wandteil des Zwischenhirns) produziert. Diese kleinen Freudenbringer strömen garantiert auch durch den Körper des Senatsangestellten. Ob er das genießt auf Hawaii?

Joop Springer