Satansbraten

■ Der Kälbermast-Skandal (II)

Der neue Kälber-Hormonskandal enthüllt einmal mehr die Fratze der Profit-Maximierung der entmenschlichten, hochtechnisierten, kapitalistischen Agro-Industrie. Punkt. Der Satz ist richtig, aber wer kann ihn noch ertragen? Wie soll man angesichts der für jeden wachen Menschen sichtbaren Auswüchse „moderner Landwirtschaft“ noch argumentieren?

Der Kot im Frisch-Ei, der Din-A-4 Blatt große Käfig in den Legebatterien, der Tranquilizier im Schweinestall, das Anabolikum im Wienerwald, die Spritze im Kälberstall – das Sündesregister ist lang und bekannt. Das deja-vu wird zum wichtigsten Merkmal der landwirtschaftlichen Skandal –Chronik. Die Affären ähneln sich bis ins Detail. Wer die Östrogen-Affäre 1980/81 verfolgt hat, weiß schon jetzt, wie es weitergeht: Untersuchungen, Kommissionen , Verlautbarungsorgien, Gesetzes-Verschärfungen, aber keine qualitätive Veränderung der Massen-Tierhaltung.

Die Aufdeckung des Skandals gewinnt dafür an Unterhaltungswert. Genüßlich läßt der 'Spiegel' die Eiterbeulen auf den Rinderhälften platzen und die gelbe Brühe mit einem deftigen „kotz würg“ über unseren Steaks zerfließen. Die Verbraucher und Beobachter reagieren empört, aber auch mehr und mehr mit Apathie und Ratlosigkeit. Und die vorübergehenden Markteinbrüche beim Kalbfleisch werden von den Tiefkühlhäusern der Agro-Industrie abgefangen. Und die Ökologen? Sie gleichen immer mehr hilflosen Wanderpredigern: Erwachet! Umkehr!

Aber wo bleibt sie, die furchterregende große Koalition von Kalbfleisch-Babykost fütternden Müttern, Gourmets, Tierschützern und Normalverbrauchern, die Herrn Kiechle Albträume beschert? Sie ist nicht in Sicht. Öko-88: Je heftiger die Skandale, umso gelähmter die Öffentlichkeit.

Herr Ober, ein Saltimbocca!

Manfred Kriener