Rehlinger will keine Denunzianten

■ Berlins neuer Justizsenator Rehlinger: „Gesinnungswandel“ ist Voraussetzung für vorzeitige Haftentlassung von politischen Gefangenen / Rehlinger verlangt kein „offizielles Abschwören“ auf dem Papier

Berlin (taz) - Vorsichtig, aber trotzdem in der Tonart überraschend klar, hat sich der neue Berliner Justizsenator Ludwig Rehlinger (CDU) zum Thema „gesellschaftlicher Dialog“ mit den politischen Gefangenen geäußert. Eine vorzeitige Haftentlassung habe zwar einen „wirklichen Gesinnungswandel“ zur Voraussetzung. Aber: Von staatlicher Seite werde „mit Sicherheit nicht ein Papier verlangt, in dem sie offiziell abschwören“.

Und: „Keiner verlangt von ihnen jetzt, daß sie ihre Leute verraten.“ Interessante Bemerkungen in einem Land, wo der Gesetzgeber immerhin den Kronzeugen etablierte. In Anspielung auf den „gesellschaftlichen Dialog“ mit politischen Gefangenen, der von Antje Vollmer, Martin Walser und Fritz Käsemann in Nordrhein-Westfalen vorangetrieben wird, erklärt Justizsenator Rehlinger, daß die Gefangenen zum Beispiel durch Gespräche in den Vollzugsanstalten eine Änderung ihrer Geisteshaltung zum Ausdruck bringen könnten.

Der ehemalige Staatssekretär im Bonner Ministerium für innerdeutsche Beziehungen Rehlinger beeilt sich allerdings zu betonen, daß es mit dem Wesen der Demokratie unvereinbar sei, „jemanden vorzeitig zu entlassen, der erklärt, sowie ich draußen bin, setze ich die Straftaten fort“. Auch bezweifelt er die Dialogfähigkeit der RAF und zitiert die Tatsache, daß sie nicht imstande gewesen sei, auf den Brief der Braunmühl- Angehörigen zu antworten.

Aber selten hat sich ein Justizpolitiker so ausdrücklich gegen das Abschwören gewandt. Noch bei der Entlassung von Siegfried Haag wurden intern Auflagen gemacht über Art und Deutlichkeit seiner Veröffentlichung. Außerdem gibt es ein Indiz dafür, daß der neue Justizsenator zu einer offeneren Politik vortastet.

Der „tote Trakt“, der Hochsicherheitstrakt in Moabit, steht seit letzter Woche leer. Eine Art Probeleerung wegen Reparaturarbeiten. Wie bereits im Frühjahr angekündigt, wurden die Gefangenen Gabriele Rollnik und Angelika Goder, ehemals Bewegung 2.Juni, in die Frauen-Vollzugsanstalt Berlin-Plötzensee verlegt, allerdings blieben sie auch dort von den anderen Gefangenen getrennt. Dabei kann sich Berlins Justizsprecher Kähne vorstellen, daß der renovierte Trakt nicht gleich wieder belegt wird.

KH Siehe auch Kommentar S. 4