Ein lebendes Denkmal für „easy-riding“

■ Die Rockergruppe „Bones“ ist nach länderübergreifenden Aktionen von GSG 9 und diversen SoKos der Polizei Im Blickfeld der Öffentlichkleit / Über drinnen und draußen berichtet Klaus-Peter Klingelschmitt

Eigentlich sind sie ein „reitender“ Anachronismus. Mit mindestens 500 Pferdestärken unter dem Arsch und der obligatorischen Kutte am muskulösen Leib donnern die „Bones“ seit zwanzig Jahren durch die Republik. Doch wie die Softies der „Flower-Power„-Ära und die rollerfahrenden „Mods“ war auch der Prolo-Flügel aus der Jugendbewegung der späten Sechziger von der Bildfläche verschwunden. Die Rocker waren out. Und spätestens seit der Zerschlagung der legendär -berüchtigten „Hells Angels“ aus Hamburg brachte sie die veröffentlichte Meinung in Zusammenhang mit Drogen- und Waffengeschäften. Daß die letzten Rocker, die noch an den Riten der „guten alten Zeiten“ („Bones“) festhalten, jetzt wieder bundesweit in den Schlagzeilen sind, haben sie dem Bundeskriminalamt (BKA) und einem eifrigen Staatsanwalt aus Ludwigshafen zu verdanken: In konzertierter Aktion mischten Polizei- und Bundesgrenzschutzeinheiten (BGS) Ende Juli „Bones„-Clubheime in drei Bundesländern auf, durchsuchten Privatwohnungen von „Bones„-Mitgliedern und beschlagnahmten Waffen, Motorräder, Mitgliederkarteien und Hunde.

Bei den „Bones“ in Frankfurt, die seit zwanzig Jahren am Sausee in Seckbach - inmitten eines Schrebergartengeländes in einer selbstgebauten „Ranch“ hausen, ging es ähnlich ab, wie „Bones„-Vorstandsmitglied Thomas der taz am vergangenen Dienstag berichtete. Schon Tage vor dem „Überfall“ hätten sich BKA-Beamte gegen „Cash“ eine Schrebergartenhütte „geborgt“ und dort Stellung bezogen. Mit Richtmikrophonen wurden die Rocker abgehört und mit Spezialkameras einzeln auf dem Gelände fotographiert. Dabei wurden sämtliche rund 2.000 BesucherInnen der Zwanzig-Jahr-Feier der „Bones“ fürs Polizeiarchiv abgelichtet. Doch das haben sie alles erst später erfahren, die rund dreißig Mitglieder der Frankfurter „Bones“.

Ausgerechnet zur freitäglichen „Rum-Cola-Party“ hätten die Bullen das Gelände gestürmt - mit rußgeschwärzten Gesichtern und ohne Vorwarnung. Die Rocker und ihre „Bräute“ mußten sich im Clubhaus ausziehen und die Polizisten zerrten ihnen

-„nicht gerade sanft die Arschbacken auseinander“ (Thomas), denn die „Bones“, so ein Vorwurf der ermittelnden Staatsanwaltschaft in Ludwigshafen, würden mit harten Drogen dealen.

Clubhaus

zu Klump gehauen

Das Mobiliar im Clubhaus wurde zertrümmert, und mit Vorschlaghämmern bearbeiteten Polizisten den betonierten Vorplatz des Geländes auf der Suche nach Maschinenpistolen und Faustfeuerwaffen. Doch den auf dem Gelände „vergrabenen Panzer“, der für den „Iran“ bestimmt gewesen sei, den hätten die Bullen nicht gefunden, freuten sich die „Bones“.

Gefunden haben die Beamten allerdings vier Handfeuerwaffen, deren Herkunft den Frankfurter „Bones“ noch „unklar“ ist das war jedenfalls erstmal ihre eigene Erklärung. Im berüchtigten Klapperfeld, dem Frankfurter U-Knast, wurde den festgenommenen „Bones“ dann schnell klargemacht, daß ihnen (wegen der bei ihnen aufgefundenen Waffen) eine Anklage wegen illegalen Waffenbesitzes und eventuell auch wegen „Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz“ drohe. Noch in der Nacht wurden sämtliche festgenommenen „Bones„ -Mitglieder wieder auf freien Fuß gesetzt. Tage nach dem „nächtlichen Ereignis„(„Bones“) trafen beschlagnahmte Lederjacken, Motorräder, Helme und Clubunterlagen bei den einzelnen „Bones“ wieder ein. Nur die beiden Clubhunde, die von der Polizei in ein Tierheim gebracht worden waren, mußten von den Rockern zurückgekauft werden.

Daß sie keine „Chorknaben“ sind, wissen sie selbst, die Frankfurter „Knochen“. Doch das, was Polizei und Bundesgrenzschutz mit ihnen getrieben hätten, sei „der letze Hammer“ gewesen. Das meinten auch die beiden Mitglieder der Darmstadt-„Bones“, die bei den Frankfurter Kumpanen zu Besuch weilten. Einer der Darmstädter Rocker ist querschnittsgelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen, doch auf dem „Sozius“ findet Kalle (Name von der Red. geändert) allemal Platz. Kalle verteidigt die „Bones“ mit Verve, denn die Rocker, die sich selbst „Biker“ nennen, haben ihm Lebensmut und -kraft wiedergegeben: „Wir 'Bones‘ sind keine Verbrecher. Wir sind eigentlich ganz normale Leute, die gerne mit dem 'Bike‘ fahren und gerne Feste feiern. Die haben doch nur Arbeit für die GSG 9 gesucht. Wahrscheinlich haben die sich gelangweilt.“

Dieser Meinung ist auch „Bones“ Vorstandsmitglied Thomas, der in Frankfurt „alles im Griff“ hat. Und in der offizellen Presseerklärung der „Bones“ zu den Polizeiüberfällen Ende Juli heißt es im Jargon der Staatsbürgerkunde, daß die Staatsgewalt die „grundgesetzlich garantierten Bürgerrechte“ auch der „Bones“ mit Füßen getreten habe: „em guten Namen unseres Motorradclubs ist in der Öffentlichkeit erheblicher, kaum wieder gutzumachender Schaden zugefügt worden.“

Tatsächlich sind die „Bones“ organisiert wie ein normaler Karnickelzuchtverein, mit Vorstand, Kassenwart und Vereinspräsident. Der Präsident wird demokratisch gewählt und ist jederzeit abwählbar - „wenn er Scheiße baut oder die Clubordnung verletzt“. Die Regeln bei den „Bones“ sind streng und orientieren sich an den Riten der us -amerikanischen Idole der 60er und 70er Jahre. Zwar sind die Clubregeln „geheim“, doch soviel verrieten die „Bones“ dem verunsicherten taz-Redakteur: „Das normale Bestrafungsinstrument ist der Knochen. Wer Mist baut, der muß den Knochen tragen, solange, bis ein anderer in die Scheiße greift.“ Der Knochen, das ist ein kiloschwerer Rinderknochen, den der Regelverletzter an einer Kette mit sich herumschleppen muß. Wer etwa besoffen ist, ohne daß die anderen besoffen sind, erhält den Knochen, denn die „Bones“ sind eine „verschworene Gemeinschaft“.

Organisation

so stramm wie die Jeans

Auch wer „eine Alte dickgemacht“ hat, das heißt, wer eine der „Bräute geschwängert“ hat, kommt um den Knochen nicht herum. Und der Knochen prangt auch auf der „Bones„-Fahne, die das Clubhaus im Schrebergarten ziert. „Novizen“ müssen sich mitunter in jahrelangen Probezeiten auf ihre Aufgabe als „Bone“ vorbereiten, wobei ein „ehrlicher Charakter“ die Grundvoraussetzung für die Aufnahme in den „inner circle“ sein soll. „Bones„-Vorstand Thomas: „Schauspieler mögen wir nicht. Hier muß jeder so sein, wie er tatsächlich ist. Und wenn einer ein Arschloch ist, dann ist er eben ein Arschloch. So einfach ist das.“

Das Verhältnis der „Bones“ zu Frauen ist ein archaisches. An den Rockern und ihren „Bräuten“ scheint die Frauenbewegung tatsächlich spurlos vorübergegangen zu sein. Frauen dürfen bei den „Bones“ nicht Mitglied werden, denn „die Weiber bringen immer nur Ärger“. Zwar hätten vor etwa 15 Jahren auch Frauen bei den „Bones“ aufgenommen werden können, doch das sei eine „Katastrophe“ gewesen, erinnert sich Thomas.

Mann bleibt Mann

Die Männer hätten bei wichtigen Fragen nicht mehr so abgestimmt, wie das „normal“ gewesen sei, sondern hätten sich von den „Bräuten“ beeinflussen lassen. Und das sei dem Cub „schlecht bekommen“. Jetzt sind die „Weiber“ wieder draußen und das Clubleben ist „easy“. Ohnehin würden die „Biker“ alles selbst machen: Clubhaus reinigen, Würstchen grillen und den alten Diesel in Schwung halten, der den „Bones“ den Strom für die Parties und für den überlebensnotwendigen Kühlschrank liefert, in dem das Dosenbier gestapelt ist. Und die „Weiber“, die dürfen allenfalls mal einen „Nudelsalat“ mitbringen, wenn im Clubheim wieder einmal die „Wutz“ abgeht.

Den staatsanwaltlichen Vorwurf der „Förderung der Prostitution“ weisen die „Bones“ weit von sich. Zwar könne man nicht ausschließen, daß möglicherweise ein „Bones„ -Mitglied tatsächlich einmal eine Frau „auf den Strich geschickt“ habe, doch das habe mit den „Bones“ als Motorradclub nichts zu tun. Schließlich belästige die Polizei ja auch nicht den Deutschen Turnerbund, wenn einer, der in seiner Freizeit turnt, seine Frau „anschaffen schickt“.

Politik

Nein Danke!

Mit Politik hätten sie „nichts am Helm“, meinten die „Bones“ aus Frankfurt und Darmstadt übereinstimmend. Und wenn sich tatsächlich mal einer ein Hakenkreuz auf den Arm tätowiere, dann sei das „Provo“ und nichts weiter. Man würde das nicht gerne sehen, doch schließlich könne jeder mit seiner Haut, machen was er wolle: „Und wenn sich einer Hammer und Sichel tätowieren läßt, wenn er das geil findet, dann sagt hier auch keiner was.“ An den „Gerüchten“ von der Beteiligung einzelner „Bones“ an sogenannten Wehrsportgruppen sei „absolut nichts dran“. Und auch gegen Ausländer hätten sie nichts einzuwenden, im Gegenteil: „Bei uns fahren Spanier und Italiener, Türken und vor allen Dingen Amerikaner mit auch Neger.“ Sie seien so cool drauf, daß mehrere Ex -Ledernacken darauf verzichtet hätten, nach ihrer Dienstzeit zurück in die USA zu fliegen. Thomas: „Die sind lieber hier geblieben und 'Bone‘ geworden.

Die „Bones“ stellen Ordner bei Rockkonzerten im Großraum Frankfurt, und wenn das Wetter mitspielt, werden - „im geschlossenen Verband“ - befreundete „Bike„-Clubs im In- und Ausland besucht. Und wenn ihnen da einer „quer kommt“, dann kann es auch schon einmal „knallen“. Und daß dann die „Fetzen fliegen“, versteht sich - Baseballschläger und Schlagringe gehören nicht umsonst zur „Grundausstattung“ eines „Bone“. „Doch das hat doch heute schon jeder Taxifahrer im Wagen liegen“ (Thomas). Und im Winter, wenn die „Bikes“ im Stall stehen, drängen sich die Rocker um den Kanonenofen im Clubhaus oder spielen Billard. Doch den Billardtisch, den haben die Sonderkommandos bei ihrem Einsatz zu Kleinholz verarbeitet - die „Bones“ arbeiten schon an der „Randale„-Schadensliste, die in den nächsten Tagen dem BKA zugehen wird.

Direkt Vorbilder haben sie nicht, die bundesdeutschen Rocker, doch der Kultfilm „Easy Rider“ beeindrucke sie auch heute noch. Aber diese „herrlichen Zeiten“, als man mit dem „Bike“ noch frei über die Highways ziehen konnte, die seien ja längst vorbei. Insbesondere in Deutschland sei alles reglementiert, „vom Helmzwang bis hin zum Bestrafungen für „angeblich ruhestörenden Lärm“. Und der Darmstädter „Bone“ Kalle sprach bei untergehender Sonne im Riederwald das Schlußwort: „In diesem Land darfs'de ja net emal wild Camping mache oder e Lagerfeuer. Da ham'se dich gleich am Kanthaken. So sieht's aus.“